Der Briefwechsel
Verlag bekannt.
2
Siehe Brief 200.
573 [468; Anschrift: Chaville]
Frankfurt am Main
5. November 1990
Lieber Peter,
ich sprach kürzlich mit Sarah Kirsch. Es wäre schön, wenn wir analog unserer Gedichtbücher in der »Bibliothek Suhrkamp« (ich erinnere Dich an Nicolas Born) eine Auswahl der Gedichte von Sarah Kirsch bringen könnten. Das war eine Gesprächsidee, jetzt aber erhalte ich von ihr eine Nachricht, daß sie gerne dieser Idee nachginge, und nun wünscht sie sich, ob es wohl möglich wäre, daß Du die Auswahl vornähmst. Hast Du da eine Neigung? Ich will Dich gewiß nicht von Deiner Arbeit abhalten, aber dies könnte ja auch irgendwann 1991 gemacht werden. 1
Herzliche Grüße
[Siegfried Unseld]
1
In der Bibliothek Suhrkamp erschien keine Auswahl der Gedichte von Sarah Kirsch.
[469; Anschrift: Chaville]
Frankfurt am Main
23. November 1990
Lieber Peter,
es wird Dich freuen, daß Dein »Versuch über die Jukebox« sehr gute Leser hat. Wolfgang Hildesheimer schrieb mir »Handke hat wieder ein sehr schönes Buch geschrieben, leider sehr kurz.«
Ich sehe Dich an der Arbeit und wünsche Dir gutes Gelingen.
574 Ich breche für zwei Wochen zum Fasten auf – ich brauche die Ruhe dringlichst. 1
Herzliche Grüße
Dein
[Siegfried Unseld]
1
S. U. hielt sich zwischen dem 25. November und 7. Dezember 1990 in der Kurklinik Buchinger in Überlingen auf.
575 1991
[470; handschriftlich]
[Chaville]
21. Februar 1991
Lieber Siegfried,
den ganzen Vormittag habe ich Deine Erzählung von Uwe Johnson gelesen, mit der Beschreibung des Hauses in Sheerness, des Pub, der Themse-Mündung. Es ist tatsächlich eine Erzählung, aus der Gegend des »Lenz«. Und so weh sie tut, so tröstlich wird sie dann auch; wie sie bewahrt, samt dem Unbeugsamen des Helden, das vielleicht auch immer wieder infantiler Starrsinn war, wer weiß, nur verwandelt ? 1
Vor ein paar Wochen, hier, hat Burgel Zeeh mir die Kopie meines 20jährigen Briefes an Roloff gezeigt. Ich konnte mich nicht mehr erinnern, und erst im nachhinein hat es mich getroffen, was ich da angestellt habe. Es wurmt mich, und ich bin zornig auf mich. Es war damals eine blöde Zeit, die der 68er, und ich, gerade weil ich nicht mittat, habe mich doch umso irrwitziger hinreißen lassen, zu solchen unbedachten, vor allem empörend ungerechten Akten. »Das Weltkind in der Mitten«, das war ich immer, und doch habe ich mich damals von falschen Freunden – jetzigen nackten Dämonen – zu Solidaritätssprüchen verzerren lassen, die meinem Innersten in nichts entsprachen, auch seinerzeit nicht, verantwortungslose Rhetorik auf Verlangen. Denk wie auch immer – der den Irrwitz schrieb, das war ich nur in meiner unbedachtesten und unwirklichsten Spielart; meine wirkliche Spielart war schon vor 20 Jahren grundanders, und jetzt spielt fast nur noch diese. Und soll aus
576 schließlich wirken – spielen! Aber wenn jenem kümmerlichen Teufel gelungen sein sollte, Deine Kenntnis von mir und meiner tiefsten Art zu trüben, so werde ich das als eine Lehre ansehen – obwohl ich eine solche, seit unserer letzten Zwistigkeit vor etwa zehn Jahren, nicht mehr nötig zu haben glaube.
Ich lebe im Haus und mit ihm, dem Garten, dem Vorort. Auch für die Leute hier bin ich hoffentlich »private«. Lederjacken hängen noch keine im Schrank, und meine Bibliothek ist hinten im Baumsausen. 2 Seit etwa 27 Tagen bin ich im Haus auch nicht mehr allein, noch staune ich, freilich zu wenig, und nicht immer mit der entsprechenden Freude.
Dir und Ulla und ihrem Stück in Monaco di Baviera alles Gute 3
Dein Peter
1
S. U., Uwe Johnson: »Für wenn ich tot bin« , in: S. U. / Eberhard Fahlke, Uwe Johnson: »Für wenn ich tot bin« , S. 9-71.
2
S. U. berichtet, die Bewohner von Sheerness-on-Sea hätten den Schriftsteller, der von 1974 bis zu seinem Tod 1984 dort gewohnt hatte, als »private man« bezeichnet.
3
Ulla Berkéwicz, Nur wir. Ein Schauspiel , hatte Uraufführung in den Kammerspielen München am 20. April 1991. Es spielten in der Regie von Urs Troller: Maria Wimmer, Richard Beek und Rudolf Wessely.
[471; Anschrift: Chaville]
Frankfurt am Main
27. Februar 1991
Lieber Peter,
ich habe Dir sehr herzlich zu danken für Deinen liebenswürdigen Brief vom 21. Februar. Natürlich bin ich hoch
577 erfreut über das, was Du mir zu meinem Johnson-Essay schreibst; er ist schon ein wenig mit Herzblut geschrieben.
Was Michael Roloff betrifft, so schont mich Burgel Zeeh. Sie
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