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Der Briefwechsel

Der Briefwechsel

Titel: Der Briefwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Peter-Unseld Handke
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neue Ausblicke eröffnend und eine Idee präzise konturierend ist auch der von Peter Handke erzählte Versuch über den geglückten Tag. Die Form ist entscheidend, sie widerlegt das ständige Scheitern des Traums. Trotz dieses fast ständig negativen Ausgangs des Unternehmens geglückter Tag gelingt es Peter Handke, durch sein genaues Registrieren, die Augenblicke festhaltendes und so dem anscheinend unbedeutenden Detail sein Recht zukommenlassendes Erzählen, durch seine Schilderung der Odyssee des »Helden des geglückten Tags« dem Leser ein ihn zum Tun aufforderndes Bild vom geglückten Tag zu entwerfen. Dieses Bild ist so konkret, daß es der Leser zu einem eigenen Tagtraum machen kann und er dem Erzähler zustimmen wird, wenn er sagt: »Wie viel mehr wäre mit dem Tag zu machen, mit nichts als dem. Und jetzt, in meinem Leben, in deinem, in unserer beider Epoche, ist sein Momentum. … Wenn ich es nicht jetzt mit dem Tag versuche, dann habe ich seine Möglichkeiten auf Dauer verspielt.«
     
    583 [Anlage 2, S. U., Text für die Programmvorschau des Suhrkamp Verlags zu P. H., Versuch über den geglückten Tag ]
     
    Peter Handke
    »Versuch über den geglückten Tag. Ein Wintertagtraum«
     
    Der Titel des Buches verweist schon auf die vorangegangenen Bücher Versuch über die Müdigkeit , Versuch über die Jukebox . Im ersten Versuch ist Müdigkeit Element des schöpferischen Prozesses, im zweiten ist im Verschwinden begriffener Gegenstand Anlaß zu einer Erzählung in einer für die Menschheitsgeschichte wichtigen Epoche. Der Versuch über den geglückten Tag , ein Wintertagtraum, hat ein Motto aus dem Römerbrief: »Der den Tag denkt, denkt den Herrn.« Das Ich der Erzählung denkt diesen Tag, und er ruft drei Erfahrungen hervor: Im Selbstbildnis von William Hogarth hatte es eine leicht geschwungene Linie, die sogenannte »Line of Beauty and Grace« erkannt. Und diese Linie sieht er ebenso in der Ader jenes Granitsteins vom Bodensee auf seinem Schreibtisch und in der S-Kurve des Vorortzuges zwischen den Seine-Hügeln westlich von Paris. Ist dies der geglückte Tag, jener einzigartige und unvergleichliche? Nicht mehr vom griechischen »kairos«, dem geglückten Augenblick, abhängig, nicht mehr wie bei den Christen und Muslimen auf Ewigkeit bezogen. Der geglückte Tag ist ein Abenteuer, ein Abenteuer mit dem Tag als Gegenüber, als Gegner. Die »Expedition Tag« gibt Einzelmomenten einen Zusammenhang eben durch die Stimme des Erzählers. »Carpe diem«, der Spruch des Horaz, wird hier neu übersetzt mit »Pflücke den Tag«, ganz so wie der Erzähler sein Problem sieht: aus geglückten Augenblicken als vierte Macht den geglückten Tag zu pflücken. Dieser Tag beginnt schon im ersten vollen Bewußtsein nach dem Schlaf, in seinem Ansatz und Einsatz wird jene
584 Linie der Schönheit und der Anmut (oder der Gnade) weitergezogen. Der geglückte Tag bleibt vorerst Idee, doch, durch die Phantasie getragen, verwandelt sich jetzt (»maintenant« – handhaltend ist sein Wort) die Idee zu einer Lebens- und Schreibidee. Das Ich der Erzählung wird selbst zum Medium des geglückten Tags, seine Tätigkeitsworte »lassen« und »meiden«. Aus dem Versuch über den geglückten Tag entsteht eine einläßliche Chronik, schließlich das Märchen des geglückten Tags.
    Es gelingt Peter Handke durch sein genaues Registrieren, durch sein die Augenblicke festhaltendes und so dem anscheinend unbedeutenden Detail sein Recht zukommenlassendes Erzählen, durch seine Schilderung der Odyssee des »Helden des geglückten Tags« dem Leser ein ihn zum Tun aufforderndes Bild vom geglückten Tag zu entwerfen. Dieser Leser wird dem Erzähler zustimmen, wenn dieser sagt: »Wie viel mehr wäre mit dem Tag zu machen, mit nichts als dem. Und jetzt, in meinem Leben, in deinem, in unserer beider Epoche, ist sein Momentum. … Wenn ich es nicht jetzt mit dem Tag versuche, dann habe ich seine Möglichkeiten auf Dauer verspielt.«
    [474; handschriftlich]
    [Chaville]
    16. April 1991
    Lieber Siegfried,
    arg spät kommt meine Antwort auf Deine beiden Texte zum »Geglückten Tag«, aber ich hoffe, daß Raimund F. Dir auch so meine Freude mitgeteilt hat. Du hast, auch mit dem längeren Anlauf, alles umrissen, was zwischen schlecht und recht bei mir steht, und so alles offengelassen.
585 Ich dachte an die Ankündigungen, die ich von Dir kenne, zumindest zu meinen Büchern, und sah sie insgesamt als große Arbeit, auch »schwierig«, wie Du selber

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