Der Briefwechsel
sehr, das nun einmal so Gegebene anzunehmen. In der Bahnhofskneipe war er dann noch für eine Stunde ein Steinerner Gast im Mantel, öffnete sich aber, als die Gäste kamen, Fellinger, Freunde von ihm in Paris, der Produzent seines Filmes, Friedhelm. Hubert Burda und Frau, Peter Hamm und Marianne Koch, Michel Krüger und Freundin, Claus Peymann, die Tochter Amina. Burda hielt eine Vormitternachts-, ich eine Mitternachtrede, der Geburtstag betoastet, die Stimmung gelöster, Ausgelassenheit kam nicht auf. Wir verabschiedeten uns um halb zwei, da wir früh aufzustehen hatten. Die Münchner und
609 Raimund Fellinger verabredeten sich mit Handke noch für den Mittag. Dort sei Handke heiter gewesen, er würde nun am nächsten Tag mit der Niederschrift [von Mein Jahr in der Niemandsbucht ] beginnen.«
2
P. H., L'heure où nous ne savions rien l'un de l'autre, übersetzt von Bruno Bayen, erschien 1993 im Verlag L'Arche, Paris.
[502; handschriftlich; Briefpapier des Hotels Cipriani Venezia]
[Venedig]
9. Dezember 1992
Lieber Siegfried,
da Du schon einmal zur Hand warst: so viel habe ich versäumt zu fragen, durch das Überraschungsfest, von dem ich, ab heute, mich zu erholen beginne. Das ist schade, und für Momente empfinde ich es als bitter. Ich muß bald einmal wirklich , wirksam, mit Dir reden, und Du solltest dafür auch wirklich dasein. So, wie es war, war es fast gar nichts, auch wenn es andererseits viel und schön war. Ich will doch andeuten, zum Beispiel, ach nein, nichts – – ich höre auf. Ich brauche Ruhe außen und freie Bahn für das Jahr, das kommt. Die Ruhe innen muß ich mir selber schaffen. Du wirst sie ja haben, am Bodensee. 1 Was für eine seltsame Position, heutzutage ein Schreiber zu sein; und doch möchte ich darauf bestehen, nur wie? Einen schönen Dezember und offene Ohren wünscht Dir, auch für sich,
Dein Peter
1
Vom 6.-21. Dezember 1992 fastete S. U. in der Kurklinik Buchinger in Überlingen.
610 1993
[503; Anschrift: Chaville]
Frankfurt am Main
4. Januar 1993
Lieber Peter,
unsere gescheiterte Verabredung am 3. Januar tut mir wirklich leid, aber da meine Anrufe in Chaville erfolglos waren und auch Du mich nicht angerufen hast, rechnete ich nicht mehr damit, daß wir uns noch sehen, disponierte für unseren Heimflug anders, und nun kam auch noch ein Unheil dazu: es war ein allgemeiner Rückreisetag; von Biarritz nach Paris war kein Platz mehr zu bekommen, am Flugplatz ohnehin eine Klein-Katastrophe wegen Ausfall von Flugzeugen und neu eingesetzter Flugzeuge mit stundenlangen Verspätungen. Wir hörten, daß Orly auch eine Zeitlang gesperrt war wegen der Zwischenlandung des amerikanischen Präsidenten, kurzum, es wäre ohnehin wahrscheinlich kaum möglich gewesen, daß wir uns an diesem Abend getroffen hätten. Es war unglücklich, daß wir gerade diesen Tag gewählt hatten. 1
Wie ich Dir schon sagte: ich bin jederzeit bereit, Dich zu treffen; wenn es Dir dringlich erscheint, komme ich nach Paris. Du kannst mir auch sagen, ob Du irgendwelche Reisen vorhast, damit wir uns in Ruhe sprechen können.
Herzlich
[Siegfried Unseld]
1
Vom 28. Dezember 1992 bis zum 3. Januar 1993 waren Ulla Berkéwicz und S. U. in Biarritz.
611 [504; Anschrift: Chaville]
Frankfurt am Main
23. Februar 1993
Lieber Peter,
ich hatte die Umschläge für die »Versuche« bei mir, aber wir kamen nicht dazu. 1 Ich schicke Dir noch einmal den Entwurf, den wir gemacht haben; er wird dann in drei verschiedenen Farben gedruckt.
Ich weiß Dich an der Arbeit, beim Schreiben.
Schöne Grüße
[Siegfried Unseld]
Anlage 2
1
S. U. traf P. H. am 21. Februar 1992 in Paris. Im Reisebericht Wien, Zürich, Paris, 18.-22. Februar 1993 , hielt S. U. unter dem Datum des 21. Februar fest: »Das Gespräch war erforderlich, weil das Januar-Treffen aufgrund von Mißverständnissen nicht zustande gekommen war.«
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Die Anlage ist nicht ermittelt.
[505; Anschrift: Chaville]
Frankfurt am Main
9. März 1993
Lieber Peter,
die zweite Auflage meines Goethe-Buches ist jetzt erschienen. Du warst einer der ersten, der darauf reagiert hat und mich auch auf zwei Fehler hinwies – die haben wir nun beseitigt. Ein Exemplar der zweiten Auflage geht Dir mit gleicher Post zu. 1
Mit guten Wünschen
Dein
[Siegfried Unseld]
1
612 Siehe Brief 483.
[506; Anschrift: Chaville]
Frankfurt am Main
27. April 1993
Lieber Peter,
Raimund Fellinger hat mir von Eurem Gespräch berichtet. Er war so bestürzt, wie ich es
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