Der Briefwechsel
jetzt bin. 1 Natürlich spürte ich Deine Reserve mir gegenüber. Du hast es mir übelgenommen, daß ich damals im Januar nicht nach Paris kam, aber dies war unmöglich, da wir schon die Flugverbindung geändert hatten; wir wären an diesem verrückten Ferienende-Tag ohnehin nicht nach Paris gekommen, und außerdem, als wir an diesem Sonntag in Frankfurt ankamen, war bei uns in der Klettenbergstraße eingebrochen …
Fellinger erzählte auch, Du habest Dich nochmals über meine Äußerung zu Burda verärgert gezeigt. Wir haben in Versailles ja leider wenig gesprochen, aber ich meinte doch, daß ich Dir auf dem Weg ins Restaurant deutlich machen konnte, daß so, wie Du glaubtest – oder wie vielleicht Burda es wiedergegeben hat –, eine Äußerung von mir nie und nimmer gefallen ist, das kann gar nicht sein. Daß eine Zeitlang die Verkäufe nicht das frühere Volumen hatten, ist bekannt, aber ebenso ist es mir eine Genugtuung, daß wir den »Versuch über den geglückten Tag« in Auflagen bis zu 71.400 Exemplaren bringen konnten.
Du ärgerst Dich über Remittenden; in den letzten Jahren ist dies geradezu grausam über uns hereingebrochen, doch das hängt mit der ökonomisch immer schwieriger werdenden Lage der Buchhandlungen zusammen, und, so ärgerlich dies ist, wir vermögen es nicht zu ändern. Doch ich habe erneut unserer Buchhaltung die Anweisung gegeben, daß
613 bei Deinen Honorarabrechnungen diese Remittenden nicht abgezogen werden.
Lieber Peter, ich weiß, daß solche konkreten Mißhelligkeiten nicht ausschlaggebend sind, daß da vielmehr tausend Dinge zusammenkommen, die die Stimmung eines Dissenses, einer Unlust, ein Nicht-mehr-Wollen, einen Aufbruch zu neuen Anfängen erzeugen. Wir sind nun Jahrzehnte in der Beziehung Autor-Verleger gestanden, und ich meine, sie war produktiv; wir haben Höhen und Tiefen erlebt. Ich war stets im sicheren Glauben, daß wir, zumindest solange ich auf der Brücke stehe, zusammenbleiben werden. Für mich bist Du der wichtigste Autor des Verlages. Ich meine, daß Du an der konkreten Betreuung Deines Werkes durch uns nichts aussetzen kannst. Gewiß, ich habe mich in den letzten Wochen nicht mehr telefonisch gemeldet. Aber auch ich spürte ja Deine Unlust, mit mir zu sprechen, und zudem wollte ich Dich nicht in Deiner jetzigen produktiven Phase stören, wissend zudem, daß Fellinger, der ja Dein treuester Verlagspartner ist, Kontakt zu Dir hält und Deine Wünsche zu erfüllen trachtet.
Lieber Peter, laß uns einen »Ruck« machen, fangen wir mit dem neuen Buch ein neues Kapitel an. Auch dieses Buch gehört zu Deinem Werk, das wir hier betreuen. Und wir werden von uns aus alles tun, damit es ein großer Erfolg wird.
Herzliche Grüße
Dein alter
[Siegfried Unseld]
1
P. H. traf R. Fellinger am 17. April 1993 in Bochum anläßlich der deutschen Erstaufführung von Die Stunde da wir nichts voneinander wußten. Regie: Jürgen Gosch.
614 [507; Anschrift: Chaville]
Frankfurt am Main
21. Mai 1993
Lieber Peter,
Raimund Fellinger erzählte mir gestern von Deiner Karte. Ich entnehme Deiner Darstellung, ich hätte im Brief einen wesentlichen Punkt nicht genannt. 1 Ich grübelte und grübelte, was das wohl sein mag; schließlich kam ich auf die mir fast abwegig scheinende Idee, es könnte sich um das Geld und jene Summe handeln, über die wir sprachen. Wenn dies der Punkt ist, dann ist ein riesiges Mißverständnis entstanden: wenn ich Dir vorschlug, die Hälfte der Summe als Darlehen zu nehmen, so lediglich aus dem einzigen Grunde, Du würdest Steuern sparen. Jetzt regt sich in mir der Gedanke, Du mögest darin vielleicht eine geringere Einschätzung Deiner Arbeit gesehen haben, und dies dann noch verbunden mit dem, was [ich] Burda da gesagt haben soll.
Lieber Peter, das kann und darf nicht der Grund für irgendeine Verstörung sein. Es ist selbstverständlich, daß Dir der Betrag zur Verfügung steht, das war immer so und soll auch immer so bleiben.
Sollte ich mich aber in diesem Punkte irren und Du noch andere Gedanken mit Dir herum tragen, dann, bitte, äußere sie freimütig.
Ich bin schon den ersten Tag beim Fasten und versuche mich einzufinden. 2
Herzliche Grüße
Dein
[Siegfried Unseld]
1
Unter dem Datum des 4. Mai 1993 schrieb P. H. eine Ansichtskarte aus Zamora an R. Fellinger: »Vielleicht lichtet sich die Situa
615 tion, vom Verleger hab ich einen Brief bekommen, bemüht, aber ganz an der Sache vorbei. Ich kann ihm (noch) nicht schreiben. Und meine
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