Der Briefwechsel
vorhanden, die beiden großen Räume der Bibliothek waren sehr schön, wenn auch für die Ausstellung doch etwas zu klein. Der Witz der Ausstellung lag in unseren Plakaten und vergrößerten Fotografien. Das wird der Eindruck sein, der bleibt. […] Die Ausstellung wurde am Montag [dem 30. Oktober] um 18.30 Uhr eröffnet. Der Leiter der Bibliothek, Herr Marschall von Bieberstein, sprach einige Worte, und dann hielt ich eine kurze Rede, in der ich auch ein neues Gedicht von Nelly Sachs vorlesen konnte. Anschließend Empfang und Abendessen mit italienischen Schriftstellern.
2. Ernst Bloch
Bloch sprach am Dienstagabend, 18.30 Uhr, eingeführt von Professor Lombardi; sein Thema: Atheismus und Christentum. Der Vortrag wurde mit hohem Beifall bedacht, wenn er auch natürlich von zwei Seiten Provokationen erhielt; anwesende Jesuiten äußerten sich nachher erregt über die Kritik und die Angriffe Blochs, während anwesende Marxisten und KP -Leute den Vortrag als zu mild angriffen, das Christentum habe überhaupt keine theoretischen Positionen mehr, die anzugreifen seien. […]
10. Luise Rinser
Sie lebt seit Jahren in Rom und hat sich jetzt außerhalb Roms ein
84 kleines Landhaus gebaut mit Swimmingpool und einem sehr bissigen Wachhund. Ich hätte sie nicht wiedererkannt, als Person ist sie durchaus noch sympathisch, aber beginnt mehr und mehr unter dem Komplex zu leiden, daß sie nicht mehr zählt, daß sie nicht mehr dazugehört, da der Rang ihrer Arbeiten ja auch sehr nachgelassen hat.
11. Peter Handke
Peter Handke war nur 1 1 / 2 Tage in Rom und mußte dann wegen eines Termins nach Wien fliegen. Am 11. 11. [1967] gastiert die Oberhausener Bühne mit der ›Publikumsbeschimpfung‹. Im Februar erfolgt dann die italienische Aufführung. Der Regisseur war anwesend. Alle Zeichen sprechen dafür, daß Handke in Italien ein sehr großer Erfolg werden wird. ›Die Hornissen‹ werden gegenwärtig übersetzt. Das Buch soll dann auch im Februar vorliegen. In jedem Fall will man die ›Publikumsbeschimpfung und andere Sprechstücke‹ bis dahin vorliegen haben.«
[61]
Düsseldorf, Gartenstraße 1
4. September 1967
Lieber Herr Unseld,
ich bedanke mich für Ihren Brief.
Ich bedanke mich auch für die Mühe, die Sie sich mit dem Buchumschlag gemacht haben. Trotzdem bin ich enttäuscht. Mehr möchte ich nicht mehr sagen, weil ich mir seltsamerweise schon bei dem einen Satz als Nörgler vorkomme. Zum Glück ist dieser Umschlag wenigstens nicht falsch wie der erste. 2
Ich bedanke mich auch für Ihr Angebot, die Romreise zu bezahlen. Aber, sollte ich hinfahren, möchte ich mir die Reise selber bezahlen.
Zur Buchmesse bin ich gern bereit, bei Ihnen zu lesen.
Herzliche Grüße
Ihr
Peter Handke
1
85 P. H. war innerhalb von Düsseldorf umgezogen. In der Gartenstraße 25/1, Düsseldorf-Nord, wohnten er und Libgart Schwarz bis zu ihrem Umzug nach Berlin mit Jahreswechsel 1968/69.
2
Das Buch erschien als Klappenbroschur im Hauptprogramm des Verlags, der Umschlag zeigte in schwarzer Schrift Autorname, Titel, Untertitel und Verlagsname auf gelbem Fond. Unter Autorname und Titel stehen in schwarzer Schrift die ersten Sätze des Romans: »Die Mordgeschichte beginnt, wie alle Geschichten, als die Fortsetzung einer anderen Geschichte. Die Personen und Dinge, die beschrieben werden, sind schon bekannt aus der andern Geschichte, die nicht geschrieben, sondern nur stillschweigend vorausgesetzt ist. Wie jede Geschichte gibt sich auch die Mordgeschichte als die Fortsetzung einer nicht vorhandenen Geschichte.« Der hintere Buchumschlag bringt ein Bild von P. H. bei einer Lesung und ein Zitat aus der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 18. Februar 1967: »… Was ist dieser Peter Handke? Wächst hier einer der Literatursterne der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts heran, oder ist es eins der vielen Flämmchen, schnell entfacht, kurze Zeit von einem guten Verstande zehrend, schnell wieder verglühend? Er hat den Anstrich des jungen Genies […].« Die vordere Umschlagklappe enthält den Text: »Peter Handke ist durch sein Sprechstück ›Publikumsbeschimpfung‹ bekannt geworden. ›Der Hausierer‹, nach den ›Hornissen‹ Peter Handkes zweiter Roman, ist ein Kriminalroman nach allen Regeln dieses Genres, eine ›Mordgeschichte‹, die alle möglichen Mordgeschichten zusammenfaßt. Ihr Held ist der ›Hausierer‹; er beobachtet alles, er registriert noch die kleinsten Ereignisse, er ist Zeuge, der überall dabei ist. Dieser
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