Der Briefwechsel
unwichtig, und nächstes Mal werde ich es sicher nachholen.) Kurz: ich hörte, daß es im Verlag, gerade an dem Tag (Montag), als ich dort war, um wichtige geschäftliche Entscheidungen gehe, ich weiß nicht, um welche es sich handelt. Jedenfalls kam es mir nicht angemessen vor, gerade in diesem, wie mir gesagt wurde, wichtigen Augenblick mit Dir zu sprechen. Das war's, sonst nichts, ich hätte gern Dich getroffen. Vielleicht war ich falsch informiert. Aber ich brauche wohl nicht mehr Sätze zur Erklärung.
Kommst Du denn nicht wieder einmal nach Düsseldorf? Wir haben ein schönes Tischfußballgerät. Nur ein elektrisches Flippergerät fehlt uns noch. Auch einen schönen Lehnstuhl für Dich gibt es, und »Chivas Regal«, 12 Jahre alten schottischen Whisky.
Gestern war ich in Oberhausen und habe mir dort ein bißchen die Vorstellung angeschaut. Ein bißchen zu viel Ohrenbetäubung. Aber der »Kaspar« dort ist groß. Hoffentlich wird auch das Buch richtig verkauft. Törichterweise habe ich mit Wiens, dem Dramaturgen vom TAT , gewettet, bis 31. Dezember 1968 würden 17223 Stück verkauft sein, um 100 Mark. Wenn nicht, würde ich mich freuen, wenn wir zwei uns am 1. Jänner 69 die verlorene Wette teilen.
93 Mir geht's gut. Nur ist mir nach allem jetzt fürchterlich langweilig. Im Herbst möchte ich ein Prosabuch anfangen, richtig spannend (na ja!), in klassischer ruhiger Prosa, wie Kleist oder Stifter. Zugleich möchte ich Herrn Widmer die Texte für einen Gedichtband in der Edition schicken, Herrn Busch: »Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt«. 1 Und allmählich habe ich auch Lust, wieder an ein Stück zu denken und es zu planen: über einen Theaterkiller, der Wirklichkeit heutzutage enttäuschend nachgebildet. Schreib mir doch bitte wieder einmal. Ich lese gern Briefe.
Herzlich
Dein
Peter Handke
1
P. H., Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt , erschien als Band 307 der edition suhrkamp am 5. März 1969. Der vom Autor stammende Vorschautext, der mit geringfügigen Änderungen für S. 2 des Bandes übernommen wurde, datiert auf den 26. April 1968: »Diese Texte haben in der Regel gemeinsam, dass sie ein sprachliches, meist grammatikalisches Modell benutzen und dieses Gerüst mit Sätzen, die nach dem Modell formuliert sind, sprachlich verwirklichen. Die Sätze sind jeweils Beispiele, Verwirklichungen des grammatikalischen Modells. Weil jeder Satz ein Beispiel für das Modell ist, ergibt sich jeder Text in der Regel als eine Anordnung von zwar syntaktisch ähnlich gebauten, aber streng dissoziativen Sätzen, die zwar einzeln genommen Beschreibungen außersprachlicher Gegebenheiten sind, durch die serielle Reihung aber das grammatikalische Modell zugleich mit der Beschreibung erkenntlich machen und auf diese Weise sowohl Aussersprachliches beschreiben als auch diese Beschreibungen als beispielhafte Sätze einer vorgefassten sprachlichen Struktur, als innersprachlich, zeigen: das Ergebnis ist, dass die satzweise Beschreibung der Aussenwelt sich zugleich als Beschreibung der Innenwelt, des Bewusstseins, des Autors erweist, und umgekehrt und wieder umgekehrt.«
Am 28. August 1968 sandte P. H. an Urs Widmer das Typoskript. »Ich habe mich bemüht, es fürs erste halbwegs übersichtlich zu
94 machen. Für den Druck wird es sicher Schwierigkeiten geben, aber ernstliche Komplikationen kann ich mir nicht denken. 2 Texte sind noch klein geschrieben. Für den Druck sollte alles groß geschrieben sein. Was ich rot geschrieben habe, sollte im Druck kursiv sein. Ebenso sollte das Unterstrichene im Druck kursiv sein. Die Titel der Texte sollten kursiv sein, aber etwas größer als die übrige Schrift. Was in meinem Manuskript an äußeren Formen unlogisch erscheint, sollte im Druck logisch erscheinen: der Zeilenspiegel muß nicht mit dem im Manuskript übereinstimmen. Der Vortext von Jean Paul: kursiv. Für den Text Nr. 10 wird ein Klischee verwendet werden müssen. Der Text Nr. 13: der Zeitungstext muß im Druck als Zeitungsausschnitt erkennbar sein, die Maschinschrift darunter wird durch Lettern ersetzt, normaler Druck. Der Text 19: Die Buchstabenformen, die ich in den Text geklebt habe, sollten ungefähr zumindest im Druck ähnlich erscheinen, als Zeitungsbuchstaben erkennbar, wie in Erpresserbriefen. Der Text 28: hier ist ein Klischee notwendig, der ein genaues Abbild der ungenauen Kopie des Kreuzworträtsels liefert. Der Text 31: der Fliegenfleck auf dem Text muß auch im Druck ungefähr vermutbar
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