Der Briefwechsel
Lektor. Kannst Du ihn nicht doch überreden? Daß er sich mit Bildern und Literatur | und was er möchte | beschäftigt? Allein wäre ich selbstverständlich noch viel mutloser.
Vielleicht könnte man auch Gregor Laschen ein wenig interessieren? An sich erscheint mir eine neue, neuartige Zeitschrift doch immer wichtiger.
Eine Anmerkung noch zu dem geplanten Hörspielband: das »Hörspiel« ist in einem recht unbeachteten WDR -Hörspielband erschienen, Verlag Kiepenheuer. Ich hatte einen Vertrag gemacht, keinen Verlagsvertrag, nur über die Abdruckrechte, freilich mit der Klausel, daß das Hörspiel nicht bis 1. 1. 70 nachgedruckt wird, oder aber, wenn es …, daß irgendeine Lizenzgebühr an Kiepenheuer zu zahlen ist. Das ist wohl zu beachten? Ich hatte für den Abdruck 250 Mark bekommen. Diese 250 Mark könnte man von meinem Honoraranteil von 500 Mark (am Suhrkampprojekt) an Kiepenheuer zahlen, sodaß ich also vom Suhrkamp Verlag nur 250 Mark kriege. Das nur als Modell, nicht als unabdingbares Angebot. 3
123 Jenny macht einige akzeptable Vorschläge, von denen er Dir selber erzählen mag.
Mit herzlichen Grüßen
Dein Peter
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Am 11. Juli kam es in München, in der Wohnung von Urs Jenny, zum Gespräch über die geplante Zeitschrift. S. U. notierte dazu in seinem Reisebericht München, 11.-13. Juli 1969: »Urs Jenny war der Meinung, die Besprechung würde 24 Stunden später stattfinden, so war er sehr überrascht, als er um 18.00 Uhr nach Hause kam und die Runde vorfand: Peter Handke, Jürgen Becker, Klaus Schöning, Helmut Färber, Siegfried Schober, Herbert Linder. Die letzten drei etwas in der Attitüde ›junge Kommunarden erwarten das Establishment‹. Die Diskussion war sehr mühsam, nach Stunden kam sie mit dem Transportmittel Alkohol in Bewegung.
Keine Frage war die Notwendigkeit einer neuen Zeitschrift, aber eben wie sie machen. Die junge Münchner Gruppe war schon etwas gegen Becker und wollte die Zeitschrift auf total unbekannte, nicht arrivierte Leute stellen, und jeder der unbekannten Herausgeber sollte von sich aus das Recht haben, jeden Beitrag, den er für richtig hält, in der Zeitschrift zu placieren. Doch so konnte es wohl nicht gehen. So wurden ungefähr folgende Vorschläge gemacht:
Färber: Über Verleihpolitik
Linder: Zerstörung des Films durch die eigene Industrie
Schober: Den Prozeß der Subversion in der Literatur zeigen. Kafka auf den Kopf stellen
Handke: pars pro toto-Arbeiten
Schöning: Hörspieltendenzen. Der Autor und die Multimedien.
Becker: schlug weiter vor Fotogeschichten. Fotos von Hannes Jähn, Kommentar von Jürgen Becker: Polly (eine Zigarettenfrau) erzählt. Partitur von Kagel. Romane nacherzählen.
Wir verblieben so, daß alle Beteiligten bis zum 31. Juli 1969 einen Vorschlag für das Konzept des Magazins einreichen sollen, dann soll von uns aus das einzelne Konzept vervielfältigt an jeden der Beteiligten verschickt werden; danach tritt die Gruppe Handke-Schöning-Becker einerseits und Jenny-Färber-Schober-Linder andererseits in Tätigkeit und macht aus den 7 Vorschlägen je einen,
124 und dieses Konzept wird dann wieder diskutiert. Man will die Vielheit der Künste einbeziehen.
Was jedoch nicht besprochen wurde, war, wie man ausländische Vorgänge einbezieht. Man muß Stützpunkte haben; vielleicht kann die Zeitschrift von Barthelme [ Fiction ] helfen. […]
Peter Handke: Im persönlichen Gespräch war er freundlich, ja freundschaftlich, in der Diskussion sehr intransigent mit ziemlich schlimmen Urteilen über Adorno, Marcuse, Habermas, dann über die Literaturkritiker. Das letzte ›Kursbuch‹ fand er läppisch (übrigens kritisierte auch Kipphardt [S. U. besuchte ihn während seines München-Aufenthalts] die Unzulänglichkeit des Kommune-Berichts, auch die jungen Leute Schober … kritisierten die Unzulänglichkeit der Darstellung). Ich bitte Herrn Busch, auf eines zu achten: man müßte Erika Runge (es 359 Dezember [ Frauen. Versuche zur Emanzipation ]) darauf hinweisen, daß ihre Interviews, die im ›Kursbuch‹ abgedruckt sind und die wahrscheinlich auch für den es-Band übernommen werden, einen oberflächlich-denunziatorischen Charakter haben, z. B., wie Handke ausführt, daß die Fragen der Interviewerin in reinem Hochdeutsch, die Antworten aber in bewußt verstümmelter Sprache wiedergegeben wären. Das sei, so sagt Handke, nicht nur ungerecht, sondern zum Kotzen. Wir sollten diesen Punkt doch unbedingt
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