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Der Briefwechsel

Der Briefwechsel

Titel: Der Briefwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Peter-Unseld Handke
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des Absatzes (S. 271) reicht, findet sich auf S. 122.
    273 [221; Anschrift: Paris]
    Frankfurt am Main
    3. Februar 1975
    Lieber Peter,
    ich habe einen Brief von Frau Ilse Nabl erhalten, den ich Dir in Kopie mitsende. Kennst Du Nabls Erzählungsband »Johannes Krantz«?
    Es scheint noch das einzige zu sein, das frei ist.
    Bitte gib mir doch gelegentlich eine Nachricht.
    Herzliche Grüße
    Dein
    [Siegfried Unseld]
     
    Anlage 1
    1
Die Anlage ist nicht ermittelt. Aus einer Antwort von S. U. an Ilse Nabl, die Witwe von Franz Nabl, ist zu schließen, daß der Brief die Frage nach einer Publikationsmöglichkeit des Erzählungsbandes im Suhrkamp oder Insel Verlag beinhaltete: P. H. hatte für den Almanach auf das Jahr 1974 des Residenz Verlags einen Essay über Nabl geschrieben: Österreich und die Schriftsteller ( am Beispiel Franz Nabls ), S. 57-61. P. H. gab 1975 im Residenz Verlag heraus: Franz Nabl, Charakter ; siehe auch Brief 224.
    [222]
    [Paris]
    21. Februar 1975
    Lieber Siegfried,
    ich habe mich gefreut, als du gestern angerufen hast. Was den großen Artikel in »Le Monde« betrifft, so weiss ich allerdings nicht – so sehr er mir, ehrlich gesagt, gut tut – was davon zu halten ist: derselbe Kritiker, der nun »Das
274 Mündel will Vormund sein« als ein Stück erster Grösse bezeichnet, schrieb vor einem Jahr zum »Ritt über den Bodensee« ungefähr, ich sei nur ein Mitmacher in der Zeitströmung, etc. Es ist so lächerlich: Paris erscheint einem kulturell hysterisch, aufgeregt und leer, vielleicht nur im Moment; das alles durchschaut man – und trotzdem geniesst man so etwas wie die Tatsache einer »Besprechung auf der ersten Seite« … (die natürlich wieder ähnlich aufgeregte Gegenreaktionen hervorrufen wird, usw.).
    Richtig enttäuscht hat mich Deine Angabe über die Zahl der vorbestellten Exemplare von »Die Stunde der wahren Empfindung« – an die 5.000, sagtest Du, und vorher: »Das am meisten bestellte Buch«: da hatte ich nur das Gefühl einer Jämmerlichkeit. Was mir zu schaffen macht: dass es mir vorkommt, als müsste ich mit jedem neuen Buch fast neu anfangen, mich den Lesern und den sogenannten Vermittlern, den Buchhändlern, zu nähern. Das ist natürlich einerseits spannend, andrerseits aber so ermüdend … Sag nicht, ich sei »verwöhnt« (von den endlichen Verkaufszahlen) – nein, ich habe mir daraus nur das Bewusstsein abgeleitet, zugleich für mich, aber auch für viele andre zu schreiben, über literarisch Definierte hinaus, – und diese vielen andern tragen eben zu meiner Arbeits- und Daseinslust wesentlich bei. Das genau ist es. Hier will ich etwas, das mich seit einiger Zeit beschäftigt, nicht verschweigen: als ich das Manuskript Dir zukommen liess, hast Du Dich nicht, wie bis dahin immer, nach der Lektüre vor mir geäussert. Ich sage offen, dass ich unruhig war und deswegen von mir aus in Frankfurt anrief. Du sagtest darauf nichts als (was mir außerdem – misstrauisch? – eher pflichtbewußt klang) dass Du »begeistert« seist – und dann hörte ich einen Satz, den ich nie vergessen werde: Du sagtest einem Autor, der ja immerhin schon einigermassen gelesen wird, als zweiten Satz: »Dieses Buch wird seine Leser fin
275 den.« Was Du da sagtest, schlug mir ein richtiges Loch ins Bewusstsein – es war nicht nur nichtssagend und erschreckend unpersönlich, sondern auch bezeichnend. In völligen Stumpfsinn versetzt durch Deine einzige Bemerkung zu der Erzählung konnte ich nur damals am Telefon (das vielleicht zur Erheiterung) »Glaubst du?« fragen. Nun ja, so war's, und es hat mich betroffen, dass Du mir bis jetzt (da es im Verlag keinen Lektor im rechten Sinn für mich gibt, bist es halt mit der Zeit Du geworden) nur diesen Satz zu dem Buch verlautbart hast. Der stolzeste, selbstbewussteste Autor wäre zumindest verdutzt. Mir war es jedenfalls, ich hätte nichts als ein Produkt abgeliefert, zur versprochenen Zeit, und dieses Produkt »würde nun seine Käufer finden«. Diese absolute Leere auf seiten des »Herstellers« hat mich seitdem beschäftigt – und es war für mich notwendig, das endlich zu formulieren. Jetzt ist es natürlich zu spät – eine Reaktion hätte gleich kommen müssen. Nun nehme ich an, dass dieses Buch Dich nicht interessiert. Das ist denkbar: schade und schmerzhaft ist eben nur, dass es mir dadurch in der Tat als ein Produkt erscheint, und Du als der blosse Verfertiger, schade wegen der Lebensart, die sich doch ein wenig zwischen

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