Der Briefwechsel
Bücher nanntest – und da dachte ich, das sei jetzt aber ein Rückfall. Und wenn es nun einer wird, werde ich es übrigens zu ertragen wissen. Das gehört dazu. Beschäftigt hat mich eigentlich nur, und das war der Anlass meines letzten Briefes, das, was ich als Dein persönliches Schweigen aufgefasst habe, und es tut mir nun leid, dass das Dir gegenüber ein Unrecht war. (Dass man für das Buch nicht, wie es üblich geworden ist, im voraus trommelt, ist mir nur recht und gibt ein freies Gefühl. Und wenn's ohne Trommeln ginge, auch später, wäre
281 es am angenehmsten.) Im übrigen stimme ich mit Dir überein: diese Sache ist aus-gesprochen.
Den Aufsatz über Franz Nabl habe ich gestern fertiggekriegt; er ist ziemlich lang geworden, etwa 14 Seiten … Ich werde ihn in der nächsten Woche an die » FAZ « schicken. Nach der Lektüre hoffe ich, dass Du ein wenig neugierig sein wirst. »Die Ortliebschen Frauen« ist jedenfalls ein grosses Buch, und »Johannes Krantz« zum Grossteil zumindest ein gutes. 2
Während ich jetzt tippe, denke ich mir Dich im Schweizerischen Schnee und mit einem andern Lebensgefühl als ich es im Moment habe, der in den ziemlich finstern Garten hinausschaut und ab und zu eine von Ast zu Ast hüpfende Amsel sieht, während hinter ihm die Gasheizung rauscht. Doch fühle ich mich im Moment eigentlich auch frei, innerlich schifahrerhaft, und denke an eine tröstliche Zukunft. – Etwas noch: Hermann Lenz' »Neue Zeit« möchte ich, statt für die » FAZ «, für die »Zeit« besprechen. Ich kenne das Buch nur im Manuskript: bitte schicke mir bald ein fertiges Exemplar, damit ich Anfang April dran gehen kann.
Herzlich
Dein Peter
1
Im Original: statt »seinerzeit«: »seinerseits«.
2
P. H., Franz Nabls Größe und Kleinlichkeit , erschien als Vorwort zu dem 1975 von ihm im Residenz Verlag herausgegebenen Prosasammelband Charakter ; wiederabgedruckt in: P. H., Das Ende des Flanierens , S. 22-37. Ein Vorabdruck in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung fand nicht statt.
282 [225; handschriftlich; Briefpapier Grand Hotel, Cabourg (Calvados)]
16. März 1975
Lieber Siegfried,
hier in der Schublade war so schönes Briefpapier, und weil auch das Meer so heimelig rauscht vor dem Fenster am düsteren Vormittag, will ich das zu einem kleinen Brief ausnutzen. Ich bin mit Amina, die gerade im Badezimmer Muscheln gewaschen hat, in dem Hotel, von dem ich Dir in Paris erzählte. Dein Freund Proust ist hier fein-sinnig oder -sinnlich gewandelt, und jetzt steht auf der Rezeptionstheke sein Marmorkopf, und das Restaurant, in dem man als Vorspeise Bündner Fleisch essen kann (Viande de Grison), heißt »Balbek«. Das Meer ist tiefgrau, und gestern bin ich mit diesem Rauschen friedlich zu Bett gegangen, in dem Gedanken, ein Geräusch zu hören, das deshalb so einwiegend in eine andre Welt ist, weil es so viel tiefer tönt als die üblichen Naturgeräusche des plätschernden Wassers oder des Windes, wo einem doch noch alles allzu menschlich erscheint.
Ende des Monats bin ich vielleicht in Frankfurt und werde natürlich noch anrufen.
Für heute,
Dein Peter
[226; Anschrift: Paris]
Frankfurt am Main
17. März 1975
Lieber Peter,
habe Dank für Deinen Brief vom 7. März. Das Buch sollte Dir mit einem persönlichen Brief von mir geschickt wer
283 den, aber nun hast Du telefonisch um die Zusendung gebeten. Du hast es hoffentlich jetzt in Händen. Gefällt Dir das Gewand? Ich finde es hat ein unaufdringlich-sympathisches Äußeres.
Wir wollen unsere Kräfte einsetzen, damit wir wirklich den von mir gewünschten großen Leserkreis erreichen. Übrigens ist die Auslieferungsziffer 14.000 Exemplare, und das ist wirklich kein schlechtes Ergebnis.
Es mehren sich die Anfragen von Buchhändlern, die Dich gerne zu einer Lesung eingeladen hätten. Wir haben das bisher abschlägig beschieden, doch vielleicht möchtest Du doch einmal aus dem Ausblick in den »ziemlich finsteren Garten« ausbrechen, freilich, ob dann Vorlesungen gleich das richtige Äquivalent wären? Bitte überlege Dir doch, ob Du vielleicht im Herbst nicht ein paar Lesungen haben möchtest. Wir könnten das dann gut vorbereiten, so daß sich die Sache in jeder Weise lohnt.
Ich bin sehr neugierig auf Deine Nabl-Arbeit. »Die Ortliebschen Frauen« lasse ich mir gleich kommen.
Wir waren sechs Tage mit Schafflers in Zermatt. Wir waren viel zusammen beim Skifahren und auch abends, so daß wir Gelegenheit hatten, uns gut kennenzulernen. Wir haben
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