Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Briefwechsel

Der Briefwechsel

Titel: Der Briefwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Peter-Unseld Handke
Vom Netzwerk:
anschließend traf, von unserer Begegnung so begeistert erzählte, daß er eifersüchtig, verärgert, ja, zornig wurde, und fast habe ich den Eindruck, daß Walsers Vorbehalt gegenüber Deinen Arbeiten nur von diesem einzigen Bericht herrührt. Also entscheide Du.
    Ich denke viel an Dich. Was machst Du im Sommer? Viel
290 leicht gäbe es eine Möglichkeit, daß wir zusammen die Proust-Stätten besuchten?
    Herzlich Dein
    [Siegfried Unseld]
    [233]
    Paris
    15. Juni 1975
    Ja, mein lieber Siegfried,
    ich habe mich genug mit Lesungen gequält – und warum sollte man sich freiwillig quälen, zumal man überzeugt ist, dass das, anders als beim Schreiben, eine sinnlose Quälerei ist, nicht einmal eine Quälerei, an die man sich dann erinnert als an etwas, das immerhin eine Erfahrung war, sondern eine Art in das Röhrchen blasen vor Leuten und dann warten, ob es sich verfärbt. Mit Bernhard würde ich mich natürlich gern treffen, aber nicht auf einer solchen Veranstaltung vor Wiener Publikum, das sich ohnehin nur für den Rahmen interessiert. Die Sinnlosigkeit einer solchen Sache ruft einem innerlich Schweiss hervor. Im Sommer werde ich in Österreich sein und da würde ich ihn so auf dem Land besuchen wollen, wenn ihn das nicht zu sehr stört. Ja, in Stuttgart war es schön, und du warst so entspannt, friedlich und aufmerksam, wie ich Dich noch nie erlebt habe. 1
    Wenn es nur eine andere Möglichkeit gäbe ausser Lesen, Signieren, Diskutieren. Ich denke hin und her, und es ergibt sich nichts. Ich habe auch nichts Neues geschrieben, bin nur bei den Notizen zu einem Stück, das ich im Sommer schreiben will. Und wie gern würde ich beim Heurigen mit Dir und Bernhard Deinen Geburtstag feiern! Das ist das einzige, was mich lockt. Kannst Du nicht eine Heu
291 rigensuhrkampfeier in Wien machen – da würde ich sofort kommen und vielleicht ein paar Gedichte oder Stanzeln improvisieren! Für Stuttgart und Köln weiss ich allerdings gar nichts.
    Du hast mir einmal geschrieben von einem Plan, über die ersten Begegnungen zu schreiben. Ich für meine Person, geizig, bewahre mir das lieber für einen künftigen Wälzer auf. | Oder verdränge es. |
    Ich werde im Juli hier sein und dichten. Ich hoffe, Du erscheinst auf dem Wege nach Cabourg, wo es dann allerdings sehr laut hergehen dürfte.
    Ich wäre neugierig, ob mein Artikel über das Hermann-Lenz-Buch etwas ergeben hat. Es wäre doch schön, fällt mir ein, könntest Du eine kleine Anzeige in der »Zeit« machen für ihn. 2
    Viele Grüsse für heute,
    Dein Peter
     
    | In »Le Monde« erschien eine sehr schön geschriebene Besprechung von »Wunschloses Unglück«, über die ich sehr froh war – ich kaufte mir sofort ein Sommerhemd!
    Bei einer Neuauflage von »Die Stunde …« möchte ich darunter: Roman.
    Wie viel sind denn mit heute verkauft? Ein Autor möchte das gierig wissen. |
    1
P. H. und S. U. trafen sich am 21. Mai 1975 in Stuttgart. Der Reisebericht Stuttgart, 21./22. Mai 1975 , vermerkt: »Peter Handke war, wie vereinbart, um 15.45 Uhr zur Stelle. Wir hatten ein überaus herzliches Gespräch. Er hat die Rezension des Buches von Hermann Lenz [ Neue Zeit ] beendet, sie soll in der ›Zeit‹ erscheinen. Wir müssen damit etwas unternehmen. Dann will Handke Notizen für eine kleine Erzählung sammeln und dann als übernächstes ein ›kleines‹ Stück schreiben. [Das stumme Stück Schulfrei oder Der Staat und der Tod wurde nicht geschrieben. Die Notizen
292 sind gedruckt in: manuskripte , Heft 50, 1975, S. 70ff.] Das alles soll noch in diesem Jahr oder im nächsten Frühjahr beendet sein, und dann möchte er sich für ein Jahr an den ›großen‹ Roman setzen. […] Abends Deutsche Erstaufführung von Thomas Bernhards Stück ›Der Präsident‹. […] Lange Premieren-Nacht. Thomas Bernhard hatte sich doch noch eingefunden. Es war nicht auszumachen, ob er im Zuschauerraum war oder nicht, Peter Handke war gekommen, ursprünglich wollte er das Stück nicht sehen. Der Abend mit den beiden Autoren und mit Peymann wurde dann aber noch ganz vergnüglich. Das Überraschendste: Thomas Bernhard und Peter Handke, die ja nicht nur von der österreichischen Umwelt immer mehr polarisiert werden, fanden Gefallen aneinander. Ich benützte dies, um die Idee vorzutragen, am 29. September in Wien eine gemeinsame Lesung der beiden Autoren, veranstaltet vom Wiener Buchhandel, stattfinden zu lassen. Beide widersprachen nicht. Bernhard sagte mir am nächsten Morgen noch zu, an

Weitere Kostenlose Bücher