Der Briefwechsel
Reise war, so dringlich war sie. Bei Peter Handke: es hatte sich wegen der Film-Regie-Sache [ Der kurze Brief zum langen Abschied ] eine erhebliche Verstimmung, um nicht mehr zu sagen, angebahnt. Handke verneint, zumindest bezweifelt er, Herrn Rach je eine Zustimmung, auch nicht eine durch Desinteresse ausgedrückte Zustimmung, zur Wahl des Regisseurs Vesely gegeben
296 zu haben. Bei solchen Vorgängen erweist es sich als besonders schlimm, wenn wichtige Vorgänge in der Theaterabteilung nur telefonisch gemacht und schriftlich nicht festgehalten werden. Handke hat noch einmal einen Brief geschrieben mit dem Datum vom 20. November an Herrn Schröder vom ZDF , also am Tage meines Eintreffens. Dieser Brief schließt sicherlich ›juristisch‹ die Angelegenheit ab, aber er belastet uns natürlich beim ZDF erheblich. Nicht Handke, sondern wir sind Vertragspartner, und unsere Sache wäre es, die Zustimmung des Autors herbeizuführen. Es ist nun sehr peinlich, daß Handke schreiben muß: ›Nun hat Ihre Firma … kurzerhand einen anderen Regisseur bestimmt [Regie führte Herbert Vesely statt des von P. H. gewünschten Ulf Miehe], ohne aber überhaupt auf die Idee zu kommen, was denn der Autor dazu meine. Nicht einmal gefragt wurde ich, ob ich vielleicht einen Vorschlag beizutragen hätte.‹ – Es ist klar, daß Handke sich durch uns in dieser Sache nicht gut vertreten fühlt, und das ist natürlich in der besonderen Situation doppelt unangenehm. Sonst eher Freundliches; er fragte zum ersten Mal nicht nach den Absatzziffern seiner Bücher, obschon ich diese parat hatte. Als wir dann doch auf dieses Thema kamen, und ich ihm sagte, daß in diesem Jahr das ›Wunschlose Unglück‹ mit 50.000 Exemplaren am besten verbreitet wurde, widersprach er mir mit dem Hinweis, daß die Taschenbuchausgabe des ›Tormanns‹ noch besser ginge. Das Ganze ist ein großes Thema für Handke, denn in seiner Küche hat er das Filmplakat der ›Falschen Bewegung‹ seinerseits plakatiert mit den laufenden, aus den ›Spiegel‹-Nummern jeweils ausgeschnittenen Bestseller-Listen. Was ein Autor nicht alles macht. Er schreibt an einem Film-Drehbuch, das er in 2-3 Monaten zu Ende haben möchte. Er hat seine Pariser Wohnung noch ein letztes Mal auf ein halbes Jahr verlängert, dann will er sich entscheiden, ob er sich für zwei Jahre im Burgenland ansiedeln oder doch den Wohnort Frankfurt und Kronberg vorziehen soll. […] Mit großer Zuneigung sprach er von Nicolas Born. Ihn würde es freuen, wenn er mit der neuen Prosaarbeit unser Autor würde, er möchte ihn auch für einen literarischen Preis vorschlagen. Sehr kritische Äußerung über die gespielte Ehrlichkeit von Frischs ›Montauk‹. Bewunderung von Hohls ›Bergfahrt‹. Immer wieder erkundigte er sich nach Lyrikern, die man mit dem Petrarca-Preis auszeichnen könnte. Er dachte hier an Ludwig Hohl
297 und an Peter Huchel, doch Hohl hat ja keine Gedichte geschrieben, woran Handke dann zweifelte. Ich versprach, mich um Kopien der neuen Gedichte von Peter Huchel zu kümmern.«
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Max Frisch, Montauk , Thomas Bernhard, Korrektur , Manuel Puig, Der schönste Tango der Welt. Ein Fortsetzungsroman (Original 1969). Aus dem Spanischen von Adelheid Hanke-Schaefer, Manuel Scorza, Trommelwirbel für Rancas . Eine Ballade, die davon erzählt, was geschah – zehn Jahre, bevor Oberst Marruecos den zweiten Friedhof von Chinche gründete (Original 1973). Aus dem Spanischen von Wilhelm Plackmeyer, Ludwig Hohl, Bergfahrt , erschienen 1975 im Hauptprogramm des Suhrkamp Verlags; Rainer Malkowski, Was für ein Morgen . Gedichte , erschien 1975 als Band 792 der edition suhrkamp .
298 1976
[238; handschriftlich]
[Paris]
2. März 1976
Lieber Siegfried,
manchmal bin ich doch ziemlich sicher, daß es besser wäre, wenn »Die linkshändige Frau« ein bloßes Drehbuch bliebe. Es ist halt doch mehr ein Film. 1 Ruf mich bitte noch an oder schreib mir, bevor Du nach Amerika gehst. Alles Gute,
Dein Peter
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Mit diesem Brief sandte P. H. wahrscheinlich das Typoskript der Erzählung Die linkshändige Frau . P. H. und S. U. hatten sich am 16. Januar 1976 in Paris getroffen. Der Reisebericht Zürich – Paris, 13.-16. Januar 1976 , vermerkt: »Peter Handke: Mit ihm war ich dreimal zusammen. Er arbeitet an dem Drehbuch für einen abendfüllenden Spielfilm ›Die linkshändige Frau‹. Er will Ende Januar fertig werden und mir das Manuskript schicken.« Am 27. Februar 1976 hatte Burgel Zeeh an P. H.
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