Der Briefwechsel
geschrieben: »Herr Unseld hat Ihnen zwei Manuskripte zugesagt, die ich Ihnen hier übersende. Bei der Gelegenheit erinnert er Sie an die Erzählung, die Sie ihm schicken wollten! Er würde Sie vor Amerika – 9. März – sehr gerne lesen!« P. H. schrieb Die linkshändige Frau im Januar 1976 zunächst als Filmdrehbuch und arbeitete sie unmittelbar anschließend zur Erzählung um. Diese erste Fassung der Erzählung bestand aus 28 eineinhalbzeilig getippten Blättern und ist undatiert ( ÖLA / SPH / LW / W 10/1 und 2). Sie korrigierte er im Februar und März 1976: so entstand ein zweizeilig getipptes, 67 Blätter umfassendes Typoskript, das er an S. U. sandte ( DLA , SUA , A: Suhrkamp Verlag, Handke, Peter). Im Reisebericht Wien, 6.-8. März 1976 , ist vermerkt: »Auf dem Flug von Frankfurt nach Wien sehr faszinierte Lektüre von neuer Erzählung ›Die linkshändige Frau‹. Ich habe
299 ihn von Wien aus sofort angerufen und ihm bestätigt, wie sehr ihm dieser Text gelungen sei. Wir vereinbarten ein baldiges Treffen.«
[239; Anschrift: Paris]
Frankfurt am Main
9. März 1976 1
Lieber Peter,
so gerne ich es täte, aber ich schaffe es nicht, auf dem Rückweg von New York nach Paris zu kommen. Ich werde in den USA so angespannt sein, daß ich sicher ein bis zwei Tage Ruhe brauche. Du hast nicht vor, in der Woche vom 22. bis 26. März nach Frankfurt zu kommen? Wenn nicht, würde ich evtl. am 24. März kommen oder zu einem April-Termin. 2
Die Lektüre wirkt durchaus nach. Sei sicher, Du hast eine großartige Erzählung geschrieben.
Herzlich
Dein
[Siegfried Unseld]
1
Die Briefkopie trägt den handschriftlichen Vermerk, vermutlich von S. U. dem Originalbrief angefügt: »Diese Art Liebe / wäre doch schön«. Vermutlich handelt es sich um einen Titelvorschlag von S. U. für die Erzählung von P. H.
2
S. U. hielt sich zwischen dem 10. und 21. März 1976 in den USA auf.
300 [240]
[Paris]
2. April 1976
Lieber Siegfried,
ich habe eine seltsame und ein wenig furchtbare Woche hinter mir. Vor neun Tagen fühlte ich eine grosse Angst, Schmerzen in der Brust. Tags darauf kam ich ins Krankenhaus, und man stellte eine Vermehrung der Enzyme in meinem Blut fest, die das 20fache des Normalen betrug. Aber es ist jedenfalls kein Infarkt geworden. Am 12. muss ich noch einmal in die Klinik, zu einer Untersuchung, wobei ich das Fahrrad trete. Dann wird das so weitergehen … Seit gestern bin ich wieder im Freien, schwach, aber eher innerlich stark und froh. 1 Amina war bei Freunden, wo sie auch jetzt tagsüber noch ist. Am Abend schlafe ich bei den Freunden. Wenn Du, wie ich hoffe, nach Paris kommst, komm bitte vielleicht schon am 9. oder 10., damit wir reden können, nicht viel bitte. Ich habe inzwischen noch ein wenig am Manuskript geändert, Wörter nur hier und da, die aber doch ja immer das Wesentliche sind. Mein lieber Siegfried, ich freue mich, Dich bald zu sehen. 2 Natürlich möchte ich sehr alt werden, und jedenfalls die 500 Seiten schaffen in den nächsten drei Jahren, aus denen »Ins tiefe Österreich« bestehen soll.
Herzlich,
Dein Peter
| Solltest Du mich hier telefonisch vorher nicht erreichen, ruf bitte: 00331 637 41 16 (Dr. Greinert) an. |
1
P. H. wurde zwischen dem 26. März und 1. April 1976 in einem Krankenhaus stationär behandelt. Am Tag der Entlassung notierte er: »An diesem schönstmöglichen Tag der Welt gehe ich, aus
301 dem Krankenhaus entlassen, umher mit dem Gefühl (?), ich hätte nichts versäumt, wenn ich jetzt tot wäre (16h25)«. »Ich muß, hier draußen, in der Stadt, herausfinden, wer ich bin, wer ich geworden bin.« ( DLA , A: Handke, Peter, Notizbuch 003; siehe Das Gewicht der Welt , Originalausgabe S. 72ff., Taschenbuchausgabe S. 65ff.)
2
P. H. und S. U. trafen sich am 11. und 12. April 1976 in Paris. Der Reisebericht Paris, 11.-13. April 1976 , vermerkt: »Er [P. H.] schien die Herzattacke überwunden zu haben, nicht jedoch Schock und Angst. Auch die sechs Tage im Hospital unter den schwer Herzkranken blieben nicht ohne Folgen auf sein Bewußtsein. Er hatte im Krankenhaus die ›Wahlverwandtschaften‹ gelesen (›Weißt Du, daß Bücher Medizin sein können?‹ – eine merkwürdige Frage von Peter Handke). Die Lebensweise sonst reduziert, kein Alkohol. Er geht gerne, aber langes Gehen schwächt ihn. Doch die Ärzte scheinen ihn jetzt beruhigt zu haben. Er wird noch zwei Jahre in Paris bleiben, mit mehreren Aufenthalten in Österreich, weil
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