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Der Brombeerpirat

Der Brombeerpirat

Titel: Der Brombeerpirat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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jetzt mal los? Nicht dass sie uns abschleppen, wenn wir hier weiter den Noteingang blockieren.«
    Ruckartig setzte er den Wagen in Bewegung, dann stoppte das Auto abrupt. Abgewürgt. Immer wenn er sich besonders viel Mühe gab, rasant anzufahren …
    »Nicht gerade ein Kavalierstart«, sagte sie trocken.
    »Ich bin auch kein Kavalier.« Tolle Antwort, Remmer, dachte er verärgert. Er schielte kurz zu ihr hinüber, als er den Motor wieder anließ. Rika sah aus dem Fenster. Sie sah schlecht aus, zumindest nicht ganz so gesund wie sonst. Kein Wunder.
    »Schöner Mist mit dem Mädchen. Sie war gestern Abend noch auf der Probe, stell dir vor.«
    Rika schien nicht darauf reagieren zu wollen, je denfalls wandte sie nicht den Kopf, sondern starrte weiterhin gedankenverloren auf die Straße, die nun langsam an ihnen vorbeizog. Viele Menschen, unzäh lige Gesichter, fast alles Fremde. Er musste seinen Blick von ihr abwenden, nach vorn schauen, auf die überfüllten Gehsteige Acht geben, von denen hier und da ein Tourist kopflos auf die Fahrbahn wechselte.
    »Ist Jasper jetzt wieder aufgetaucht?«
    Sie schüttelte nur den Kopf.
    Remmer war fürchterlich heiß. Sein Wagen hatte keine Klimaanlage, das Auto war ziemlich alt, aber solange es fuhr … »Was ist denn los mit dir und Jasper?«
    Mein Gott, hatte ihn dieser Satz viel Überwindung gekostet. Er schwitzte noch mehr.
    Nun drehte sie sich zu ihm um. Erst dachte er, sie hätte eben vielleicht lautlos vor sich hin geweint, und erwartete gerötete Augen, aber sie sah nur einfach blass aus und fürchterlich müde. Und er spürte, dass er sich in sie verliebt hatte. Keine Neuigkeit eigentlich. Doch es war verdammt intensiv. Wie Bassspielen. Tief und hintergründig und ganz für ihn allein. Sie sollte es nie erfahren.
    »Es ist, wie es ist«, antwortete sie, als er schon nicht mehr damit gerechnet hatte. »Jasper ist nicht aufgetaucht. Doch irgendwie ist es für mich kein wirklicher Grund zur Aufregung. Du weißt doch, wie er sein kann. Ich hatte nur nicht gedacht, dass er sich seinen Geburtstag entgehen lässt. So kenne ich ihn nicht. Aber wahrscheinlich kenne ich ihn sowieso nicht.«
    »Aber zur Probe ist er bislang immer erschienen. Zwar meistens endlos zu spät, aber gekommen ist er. Und gestern Abend war es besonders wichtig. Die neuen Songs, weißt du? Ich kann mir nicht erklären, dass Jasper das anscheinend alles egal ist.«
    Sie lachte kurz und, was er gar nicht von ihr kannte, sie lachte bitter. »Es ist mir aber egal. Diese ganze Scheißband und das Getue mit den Kindern, weißt du was, ich kann es nicht mehr hören. Jasper singt hier einen Ton und dort spricht er stundenlang mit kleinen Erwachsenen, doch bei mir zu Hause ist er still, langweilig und … ach. Du hast aber Recht: Ihm ist das alles nicht egal. Es bedeutet ihm so viel. Es ist sein Leben. Musik, Mädchen und Melodramatik. Ich finde es so lächerlich.«
    Remmer konnte darauf nicht reagieren, also verbrachten sie den kurzen Rest der Fahrt schweigend. In seinem Kopf aber sprangen die Gedanken hin und her wie der kleine weiße Ball beim Pingpong; er hoffte, sie merkte ihm diese Erregung nicht an.
    Bis zu ihrem Haus in der Lippestraße war ihm auch immer noch kein guter Satz eingefallen, mit dem er einen einigermaßen sympathischen Eindruck hinterlassen konnte. Jasper schüttelte solche Worte immer aus dem Ärmel, doch Remmer war in dieser Beziehung einfach unfähig. Nicht dass er an mangelndem Selbstbewusstsein litt, er war auch nicht verklemmt, wirklich nicht. Nur bei dieser Frau fiel ihm alles tausendmal schwerer. Weil er im Schatten stand. In Jaspers Schatten. Sie würde ihn nie bemerken.
    Kaum waren die Reifen zum Stehen gekommen, da hatte sie den Fuß bereits auf die Straße gesetzt. Sie drehte sich lächelnd nach vorne um. »Was bekommst du?«
    Er winkte mit der Hand ab, als verscheuche er eine Fliege. »Lass stecken!«
    Und dann blieb der Tag für einen kurzen Augenblick stehen, die Hitze war vergessen und das klobige Gefühl von Unzulänglichkeit ebenso. Sie beugte sich zu ihm herüber und küsste seine Wange. »Du bist ein Schatz, Remmer. Ganz anders als Jasper, wirklich! Zuverlässig wie ein Deich und ruhig wie das Watt. Entschuldige den Vergleich … aber ich finde, er passt.«
    Dann stemmte sie sich stöhnend aus dem Auto. Der Rücken musste ihr wirklich schwer zusetzen. Heute Morgen hatte sie sich auch schon sehr gequält, es war ihm nicht entgangen. Sie war nicht dürr und zerbrechlich, aber wenn

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