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Der Brombeerpirat

Der Brombeerpirat

Titel: Der Brombeerpirat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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für einen angenehmen Zeitgenossen halten können, denn was er sagte, klang eigentlich vernünftig. Doch nun war Sanders froh, als Kollegin Jutta Lütten-Rass ihren riesigen Kopf zur Tür hereinstreckte und ihnen sagte, dass der Geländewagen bereitstehe. »Aber ich fahre!« , sagte sie in einem Ton, der zwar piepsig und lächerlich klang, aber keinen Widerstand duldete.
    Woher hatte dieses Weib eigentlich einen Doppelnamen? Die war doch nicht etwa verheiratet? Sanders traute sich nicht zu fragen. Sie stiegen in den Wagen. Das heißt, Konstantin und Lütten-Rass klemmten sich auf die Vordersitze, während er neben Britzke auf der Rückbank Platz nahm. Lütten-Rass startete durch. Rasant, die Frau.
    Niemand sagte ein Wort. Es war trotz der offenen Fenster kochend heiß im Wagen, selbst der Fahrtwind brachte kaum Erleichterung. Sanders war kein Strandgänger, er bekam rote Pusteln am Oberkörper, wenn ihm die Sonne zu sehr zusetzte. Doch für einen kurzen Moment beneidete er die Urlauberfamilie, die gerade hektisch von der Fahrbahn stob, einen Bollerwagen voll Spielzeug und kalten Getränken im Schlepptau. Er beneidete sie um ihre Aussicht auf einen Sprung in die kühle Nordsee.
    »Einfach über die Straße rennen«, murmelte seine Kollegin kopfschüttelnd, »wir sind hier doch nicht auf Juist.«
    »Wie viele Gäste fasst die Insel in der Hochsaison?«, fragte Britzke neben ihm. Er wollte mal wieder alles ganz genau wissen.
    »Wir haben gut zwanzigtausend Gästebetten, dazu kommen bei einem Wetter wie heute noch gut zehntausend Tagesgäste vom Festland. Dann ist hier richtig was los auf den Straßen, das können Sie mir glauben. Doch wir schaffen das. Unsere Insel hat die Infrastruktur für fünfzigtausend Einwohner, stellen Sie sich das mal vor. Wie Aurich!« Konstantin sprach so, als zitierte er einen Text aus der Norderneyer Werbebroschüre. »Wir sind eben anders als die anderen Inseln. Fortschrittlicher und moderner.«
    »Und vielleicht ein wenig lauter?«, fragte Britzke leise.
    »Nun, das lässt sich wohl kaum vermeiden. Wer es ruhiger mag, der kann sich immer noch zur Weißen Düne verziehen, dort ist es so naturbelassen und ruhig, wie man es sich nur vorstellen kann. Ein traumhafter Strand, endlose Dünen, Insel pur!« Ein überzeugtes Nicken beendete seinen Vortrag.
    Danach schwiegen sie wieder. Was sollte man auch darauf antworten?
    Die Häuser wurden niedriger und roter, die Stadt schien sanft und gedehnt in die Dünen überzugehen wie ein Ritardando am Ende eines überwältigenden Orchesterstückes. Und dann kam das Adagio. Die Straße umkurvte haushohe Dünen, dann die bunten Zelte eines Campingplatzes, und schließlich sahen sie den dunkelroten, schlanken Leuchtturm immer größer werden. Ein teppichgleicher Golfplatz breitete sich neben ihnen aus, daneben thronte ein mehrstöckiges Hotel, ein paar weiß gekleidete, fröhliche Touristen hatten ihre ledernen Golfbags geschultert.
    »Es ist nicht mehr weit«, sagte Konstantin in die Stille. »Ungefähr einen halben Kilometer vom Golfplatz entfernt.«
    »Na, dann ist die Lage aber doch gar nicht so schlecht«, gab Britzke zu bedenken.
    Konstantin lachte. »Nein, da liegen Sie falsch. Un sere Gäste wollen Flair und Angebot der Stadt nut zen. Unser Warschauer Sinfonieorchester in der Kurplatzmuschel, unser historisches Kurtheater und die zahlreichen Restaurants der gehobenen Gastronomie, das ist es, was Norderney ausmacht. Hier draußen gibt es nur Kaninchen und Fasane, ein paar Möwen und sonst gar nichts. Dies ist kein lebendiger Ort, glauben Sie mir. Ich weiß, womit sich Geld machen lässt, schließlich verwalte ich einige der besten Häuser auf der Insel. Aber nach einer Hütte wie dieser hier«, er zeigte mit dem Finger auf ein rotes Dach, das sich über den Kamm einer vorgelagerten Düne erhob, »nach so etwas hat mich noch niemand gefragt. Zu viel Ruhe!«
    Der Wagen wurde langsamer. Konstantin kramte in der Tasche seines Jacketts, wahrscheinlich suchte er bereits den passenden Schlüssel, jedenfalls klingelte es metallisch.
    Sanders ließ den Sicherheitsgurt aufschnappen, er war froh, dass die Fahrt vorerst zu Ende war.
    Und dann wieder dieser Moment ohne Herzschlag.
    Sie sahen Wencke Tydmers langsam den Straßenrand entlanggehen. Sie sah schlecht aus, irgendwie blass und mitgenommen, jedenfalls blickte sie nicht auf, und der Mann an ihrer Seite stützte sie.
    »Halten Sie an«, sagte Sanders laut. Noch während das Auto zum Stehen kam, öffnete er

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