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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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sich an Brammas Rücken vorbei, schlüpfte hinaus und nickte Ti-Senbi zu. Sie flüsterte: »Mach schnell. Sie weiß nicht, wie lange sie ...«
    Den Rest hörte Karidon nicht mehr. Er verschwand in einer Gasse, schlug einen Bogen und kam aus der entgegengesetzten Richtung auf die Schiffe zu. Er blieb zwischen Binsen und Rizinussträuchern stehen, sah sich um und lauschte, zwanzig Schritte von der Zwei Meere entfernt. Hinter dem Heck hörte er das Kichern einer Frau, im Bug des Schiffes flackerte ein winziges Lämpchen. Karidon duckte sich in die Schatten, huschte auf Zehenspitzen zum Schiff und zog sich neben der Planke, deren Knarren ihn verraten hätte, an der Bordwand hoch. Die große Luke stand offen; aus dem Bauch des Schiffes kamen bekannte, strenge Gerüche. Karidon langte nach der Lampe, merkte sich, wo sie gestanden hatte, und ließ sich in den Kielraum hinunter.
    Unter schwarzen Fellen und anderer Ladung sah er roh gezimmerte Kisten. Er hielt den Atem an, sah sich zwischen der Ladung um und bewegte den Arm mit dem Lämpchen. Ein Sack war umgekippt und hatte sich geöffnet. Handgroße, ziegelförmige Dinge lagen auf einer zerrissenen Decke; wie Blöcke stumpfen Silbers. Karidon hob einen Ziegel auf, roch daran, berührte ihn mit der Zunge und legte ihn zurück. Kein Silber, sondern Anna-Metall: gegossenes Zinn. Sein Herz hämmerte, als er sich hochzog, die Lampe zurückstellte und über den Bug herunterkletterte. Von der Schenke näherte sich eine Gestalt; Karidon schlüpfte zwischen die Stauden, lief zur Hausmauer und erkannte Ptah, der die linke Hand hob; die rechte lag auf dem Dolchgriff.
    »Ich bin's«, sagte er ruhig. »Dauert lange, bis du dein Wasser abgeschlagen hast.«
    Karidon ordnete seinen Schurz und das Schamtuch. Seine Finger zitterten. Er ging in den Bereich des Fackellichts und hörte, wie das Keuchen des Mannes abriss, zwang sich zur Ruhe und blickte in Ptahs angespanntes Gesicht.
    »Später«, murmelte er. »Geh'n wir zurück zu den anderen.«
    Niemand schien sie vermisst zu haben. Karidon nickte Ti-Senbi zu, als Galbulk in die andere Richtung blickte. Die Männer der Morgenröte unterhielten sich in der Sprache Keftis, redeten mit dem Wirt und den Sklavinnen in der Rômetsprache; mitunter fielen Jehoumilq und Holx in die Sprache Gublas und Uschus zurück. Karidon bestellte dunklen Wein, mischte ihn mit Wasser und lehnte sich an die Wand. Ptahs Schulter berührte ihn.
    »Weißt du, was du wissen wolltest?«
    »Ja.« Karidon nickte langsam. »Ich erzähl's euch auf dem Schiff.«
    Weit vor Mittnacht brachen sie auf. Karidon nahm den halbgefüllten Krug mit, hockte sich ins Heck und wartete, bis Jehoumilq, Mlaisso und Ti-Senbi, Holx und Ptah bei ihm saßen, und sagte flüsternd, in der Rômetsprache:
    »Galbulk ist einer der Kapitäne, die im Westen Zinn holen. Er hat das Schiff voll davon, vielleicht zwanzig, dreißig Char. Zwei Meere ; das bekannte und das unbekannte Meer? Wir sollten uns den Namen merken und ihm hinterhersegeln. Jetzt wissen wir, woher die Bronzegießer von Kefti und Alashia ihr Anna-Metall haben.« Er deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Du hast die richtige Frau gefunden, Tembi. Was tun wir als nächstes, Käpten?«
    »Weiter wie bisher. Wenn Chakaura die Ladung Galbulks in Gold tauschen oder wegnehmen würde, hätten sie auf Alashia jahrelang nichts mehr zu tun. Kein Mensch würde je erfahren, woher das Zinn kommt. Wir wissen wenigstens ein bisschen.«
    »Wenig genug. Was lernen wir daraus?« Ptah hob den Daumen. »Es gibt einige Schiffe, die von Kefti und Alashia – und, was wir nicht wissen, von anderen Häfen – nach Westen segeln, zwanzig oder dreißig Tage und Nächte weit. Dort gibt es Zinn, reich wie Kupfer in den Gruben von Sekmem. Einen Teil der Waren, die Galbulk dort gegen Zinn tauscht, kennen wir; wir haben lange genug gefragt.«
    »Im Zinnland gibt's viele Wildschweine. Der Schinken«, sagte Jehoumilq. »Ich bezweifle, dass ein anderes Schiff, auch die Morgenröte , jene Zinnhäfen finden würde. Wir können nicht ein Jahr oder länger suchen. Es würde uns arm machen. Also: weiter auf Bronzekurs. Morgen laden wir, übermorgen geht's nach Alashia.«
    Karidon lag lange wach, die Arme im Nacken verschränkt, hundert Schritte von der größten Menge Zinn entfernt, die er je in seinem Leben gesehen hatte. Seine Gedanken irrten zu unbekannten Häfen, über endlose Wasserflächen, entlang namenloser Küsten, zu fremden Menschen. Er würde ein gutes Schiff

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