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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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zuckte mit den Schultern, zögerte, goss Bier nach. »Er ist rastlos und oft mürrisch, böse, wie ein alter Löwe. Die Lider hängen schwer über seinen Augen. Ich hab ihn das letztemal lachen gehört, als wir in Asmach die Retenu besiegten. Das war ein großartiger Sieg, Kari! Ihr wart gründlich im Spähen und Aufzeichnen. Die schöne Mudnedjemet war schwanger, brachte einen gesunden Sohn zur Welt. Er starb, nur einen Mond alt, seine Mutter drei Tage nach ihm. Chakaura war rasend vor Trauer.«
    »Was geschah mit Fürst Abdim und Anatnetish? Tot? Gefangen? Ist der Ausgestoßene der neue Vertraute des Goldhorus?«
    »Nein. Sie sind geflüchtet. Hast du meinen Brief nicht bekommen?«
    »Nein. Nie.«
    »Also verloren. Geschieht leider noch viel zu oft. Mit dem Boten verschwindet die Botschaft. Also: wir haben sie umstellt und keinen durchgelassen. Sie müssen ein Versteck gehabt haben, das wir nicht finden konnten. Sie haben dem Goldhorus und seinen Truppen furchtbare Rache geschworen, wissen wir von den Gefangenen. Und ganz besonders dem untadeligen Dutzend der Horus . Also dir, Jehoumilq, Ptah und Mlaisso.«
    »Von diesen Racheschwüren hab ich schon auf Kefti und in Uschu gehört«, sagte Karidon leise. »Was sollen wir tun?«
    »Niemand wird euch im Hapiland je wieder angreifen, Kari.« Nachtmin hieb mit der Faust in die flache Hand. »Nicht in den beiden Ländern. Seht euch um, seid wachsam und vorsichtig, sieh genau in fremde Gesichter. Chakaura und Ikhernofret haben dem ganzen Heer befohlen, auf euch zu achten; Userhet und ich haben die Befehle weitergegeben bis zum letzten Bogenschützen.«
    »Dafür danken wir euch.« Karidon blickte Sokar-Nachtmin prüfend an. Er erwiderte den Blick; in seinem Gesicht waren Linien und Kanten schärfer geworden. Über dem Wangenknochen spannte sich eine dreieckige Narbe. »Dass Chakaura sich um uns sorgt, haben Jehoumilq und ich vorausgesetzt.«
    »Und – die Prinzessin?« Nachtmins Hände beschrieben übertrieben gerundete Linien. Er grinste unsicher. Karidon legte die Hände auf die Knie und hob die Schultern.
    »Ich liebe sie. Auf See ist sie das trübe Licht meiner Nächte. Ich glaube, sie liebt mich auch.« Er zögerte, schluckte, sprach leise weiter. »Ich seh nicht in ihr Herz. Vor zwei Tagen, als wir zusammen waren, musste ich an Abschied für immer denken, oder an Krankheit, Tod, Verlust – wie damals, in Men-nefer, als Nefer-Tefnacht starb.«
    »Was soll ich darauf antworten? Glaub mir: Es wird viel gestorben in diesen Jahren. Ich war ein paarmal auf der Barke ins Amenti-Seelenland, würdest du sagen, bin aber immer gerade noch von Bord gehumpelt.«
    Er legte den Fuß aufs rechte Knie, dessen Hornhaut schuppte, wackelte mit den Zehen und vollführte eine ratlose Geste. Der Gecko bewegte sich raschelnd über die Wand.
    »Da gab es einen verhutzelten Priester in Ta-Seti«, sagte Karidon leise. »Khaseberat. Er hat gesagt, ich sei ein Sommerkind, ich soll das blendende Mittagslicht ehren und zum Denken nutzen. Halbdunkel, Dämmerung, Zwielicht – die Umrisse der Dinge verschwimmen und verschwinden schließlich, wie im Nebel. Wie die Wahrheit im Ib Tamahats. Aber oft zerstrahlt das Mittagslicht mühsam gedachte Gedanken. Dann steh ich am Ruder, älter als dreißig Herbste, und alle Ziele, Wünsche, jede Gewissheit, sie sind nichts anderes als Sonnenblitze auf unzählbaren Wellen.«
    »Sonnenblitze.« Sokar-Nachtmin zuckte mit den Schultern. »Ich kann dir keinen Rat geben. Von der Liebe einer Prinzessin versteh ich nichts; ich weiß, dass der Goldhorus euch ebenso braucht wie mich und viele andere. Er will, dass die Priester seine Jahre als Chakauras bronzene Zeit bezeichnen. Ich, Sokar-Nachtmin, werde tun, was die Götter verlangen.« Er sprang auf und hakte die Daumen in den Gurt.
    Karidon leerte langsam den Becher. »Ich und Ptah und Jehoumilq werden tun, was uns nützt und niemandem schadet. Zuerst muss Chakaura genug Nechoschet haben. Wir bringen es ihm. Bis zu seinen großen Siegen müssen wir noch oft nach Kefti und Alashia segeln.«
    Der Heerführer packte Karidons Handgelenk und zog ihn in den Palastgarten. Seine Stimme bekam einen drängenden, fast inbrünstigen Klang. »Der Goldhorus wird die Feinde beider Länder furchtbar strafen. Diejenigen, die helfen, das Hapiland groß und mächtig zu machen, wird er belohnen. Wir sind jung; wir können warten. Ich sage dir: große Dinge werden wir erleben.« Er winkte seinen Bogenschützen. »Große, mächtige Tage

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