Der Bronzehändler
Sogar die Morgenröte hat viele neue Planken bekommen.«
Die weißen Vorhänge und Türen aus dunklem Flechtwerk schlossen sich. Die Prinzessin lehnte sich schwer gegen Karidon und knotete in seinem Nacken den Schmuck auf; Karidons Hände fühlten die Haut des vertrauten Körpers, die schwerer gewordenen Brüste und die Muskeln der Schultern unter glatter Haut. Wieder glaubte er, eine Göttinnenstatue sei in seinen Armen zum Leben erwacht. Tamahat stieß ein girrendes Seufzen aus und flüsterte:
»Halt mich fest, Liebster. Es wird so schön wie immer. Versuchen wir, die Zeit festzuhalten. Und im Dunkeln, wenn wir unachtsam sind, sehen wir vielleicht das bunte Gefieder des Ba-Vogels?«
Er hob sie auf und trug sie zum Lager. Sie liebten sich weich und zärtlich, wie Vertraute, und als sie vor dem Gipfel der Leidenschaft zitterte, stöhnte und leise schrie, durchzuckte Karidon lähmender Schmerz. Er sank zur Seite, stützte sich auf den Ellbogen und wartete, bis er ruhig atmete und sich ihre Augen auf ihn richteten. Karidon erkannte den Stich der Erinnerung wieder; Abschiedsschmerz: der gleiche, der ihn hatte taumeln lassen, als damals Nefer-Tefnacht in seinen Armen starb. Er atmete tief durch und presste seine Lippen auf Tamahats Handfläche. Die Prinzessin bewegte den Kopf auf seiner Brust und murmelte:
»Du bist zusammengezuckt. Was hast du, Liebster?«
»Nichts«, sagte er zärtlich und betrachtete die goldgelben Sterne der Deckenmalerei. »Ich bin über einen Gedanken erschrocken. Ich hab ihn vergessen, wie einen üblen Traum.«
Die Bogenschützen und die Schildträger blieben vor dem Eingang des Gästehauses stehen. Sokar-Nachtmin nickte dem Diener zu und folgte ihm zum Eingang von Karidons Wohnraum. Karidon breitete die Arme aus, als die stämmige Gestalt mit den krummen Beinen, unverkennbar trotz des Sonnenglanzes vom Innenhof, als dunkler Schattenriss auf ihn zustapfte.
»Sokar-Nachtmin! Mein kriegerischer Freund!« Karidon fühlte sich gepackt, halb erstickt und hochgehoben. Er ächzte. »Bring mich nicht um, Lenker furchtbarer Kämpfe!«
»Du bronzebringender Späher des Goldhorus! Endlich wieder einmal bei uns, wie? Ist doch besser als im kalten Kefti, was?«
Karidon lachte und zog Nachtmin ins hellere Licht zwischen Kammer und Terrasse. Der Heerführer nahm den Lederhelm ab, kratzte sich ausdauernd unter der Perücke und griff nach dem Bierkrug.
»Kefti ist nicht kalt. Dreihundert sonnige Tage zählen sie in jedem Jahr! Nur im Winter regnet es heftig. Erzähl, Nachtmin: wie ging es dir, seit wir uns zuletzt getroffen haben vor ... zwei Jahren, glaub ich.«
»Drei, fast.« Nachtmin legte die Stirn in Falten, spähte an Karidon vorbei und blinzelte. »Ich erzähl's der Reihe nach. Mit jedem Sieg – und wir haben immer gesiegt, mit wenigen Verlusten – gab's einen neuen Titel, neue Goldketten, neue Fliegen. Oberster des königlichen Heeres, Engster Vertrauter und so fort. Chakaura vergibt Titel wie Lotosblüten. Unser Priesterlein ist in Sekmem und baut dort Tempel. Trostlos ist es, schreibt er, heimwehkrank ist er, die Barbaren sind dickköpfig und hartleibig. Zuletzt war er Verwalter der Tempelschatzkammer. Ah! Damals, mit den Botenvögeln, du erinnerst dich; damals sind die uralten Obersten Priester verschwunden. Chakaura hat die Botschaft gelesen; die Tempel, die Gold abliefern mussten, wurden aufgefordert, ihre Listen zu fälschen.«
Nachtmin leerte den Becher und starrte Karidon an.
»Noch immer keinen Bart, Kari? Die Jahre sind auch nicht ganz spurlos vorübergegangen, wie?« Er zeigte auf breite, hässliche Narben an seinen Schultern, der Brust, den Oberschenkeln. »Weiter. Bis auf einen Gau ist alles in Chakauras Hand. Wenn wir ihn genommen haben, geht der Goldhorus mit uns ins elende Kush. Nefer-Herenptah mit den vielen Zähnen ist noch mehr heimwehkrank als Priester Hatchetef. Ich glaube, nach dem Feldzug wird ihn Chakaura, mit vielen neuen Titeln, weiter in den Norden holen und Gaufürst Chertihotep an seine Stelle setzen. Die letzten Ernten waren gut; der Goldhorus lässt das Korn wiegen, jedes Stück Vieh zählen und schätzen und den Besitz neu vermessen.«
»Die vielen Titel sollen zwar den Träger auszeichnen, ihn aber auch unerschütterlich ans Große Haus binden. Wir haben auch eine Handvoll schöner Ehrentitel.« Karidon betrachtete die bronzenen Schuppen des Lederhelms. »Ich hab Chakaura lange nicht gesehen. Nur seine Schwester. Wie geht es ihm – ehrlich?«
Nachtmin
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