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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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musterte Karidon aus harten Augen unter schweren Lidern, deren Schminke den Blick seltsam fremd machte. Keine Ähnlichkeit mehr mit dem Jungen im Schilfboot, dachte Karidon; er sagte:
    »Dann besuchen wir meinen Freund Nefer-Herenptah, den Sammler zahlloser Zähne, nehmen in Men-nefer neue Ladung auf für Pa-Beseth, Uschu, Gubla, Alashia und Kefti. Freund Ptah nimmt seine Geliebte Amenirdis-Khenso mit, hilft den Malern in Jehoumilqs Haus, übersetzt, zeigt ihr die schöne Insel. Vielleicht segeln wir diesen Kurs dreimal, vielleicht nur zweimal, vor den Winterstürmen. Wir laden Nechoschet aus und holen deine Soldaten.«
    »Wirst du in diesen Häfen erfahren können, woher das Zinn kommt?«
    Aus Chakauras Stimme klangen Erinnerungen heraus, wie ferne Geräusche und Rufe aus den heißen Schneisen im Hapischilf.
    »Nur, wenn sich ein Zinnkapitän verplappert, im Rausch, bei einer Dirne, die sich merkte, was er gestammelt hat. Die Kapitäne schweigen; ich müsste eine weite Fahrt zu unbekannten Küsten im Westen wagen.«
    »Wann willst du aufbrechen?«
    »Wenn ich reich genug bin.«
    »Reich! Gold! Zinn!« Chakaura lachte; ein kurzes, raues Lachen voll Bitterkeit. »Ich brauch's, um den Willen der Götter zu erfüllen. Du willst es haben, um reich zu werden und die Zinnhäfen zu finden. Um mir Zinn zu bringen, damit ich mit besseren Waffen tun kann, was die Götter fordern. Ihr habt selbst erleben müssen, dass es Verräter gibt, die sich gegen die göttlichen Gesetze stellen. Ein großes Rad, das da die Götter drehen.«
    »Sie drehen es über Küsten und Ländern, die weder du noch ich kennen. Hapiland in seinen Grenzen aus Wasser und unfruchtbarer Wüste ist nur eines davon. Wenn du es über die Stromschnellen hinaus erweiterst, vielleicht das größte.«
    »Dieses Rad!« Chakaura blickte über Karidons Schultern hinweg, schloss kurz die Augen, stieß ein würgendes Ächzen aus und zeigte auf den wandernden Schatten der Dachsäule. »Je älter ich werde, desto schneller dreht es sich. Früher waren die Tage endlos lang. Jetzt rast die Zeit dahin. Mir und dir, Freund ferner Tage, bleibt wenig Zeit auf dem langen Weg zu ersehnten Zielen. Mögen uns die Götter viele gesunde Jahre schenken.«
    »Bisher haben sie's mit uns gut gemeint.« Karidon zog sich hoch und winkte dem Steuermann von Nachtmins Schnellruderer. »Man braucht mich auf der Morgenröte . Ich danke dir, Horus Chakaura, für ein gutes Gespräch. Ich darf von Bord gehen?«
    Chakaura zwang sich zu einem kargen Lächeln und nickte. Die Enden des Nemestuches flatterten; die Fingerspitzen nestelten am Falkenschmuck auf seiner Brust. Er legte den Kopf schräg und murmelte, wie zu sich selbst:
    »Wir wünschen einander gnädiges Schicksal und Glück, nicht wahr?« Der Schreiber reichte Karidon das zusammengebundene Binsenröllchen. »Die sieben Bronzejahre waren gut, Karidon. Es wird bessere Gespräche geben – wenn dereinst die Säulen, auf denen Tameri ruht, aus Granit sind.«
    Sie wechselten einen langen Blick. Karidon kletterte die Strickleiter hinunter, deren Enden von zwei Ruderern gehalten wurden. Sokar-Nachtmin packte seinen Arm und zog ihn ins Heck. Er lachte, schien unter der Verantwortung in die Breite zu wachsen, glühte aus sich heraus; er bellte einige Befehle. Das Boot wendete mit peitschenden Riemen fast auf der Stelle und fegte auf den Bug der Morgenröte zu.
    In vielen Tagesabschnitten, im schmalen Fahrwasser weit auseinandergezogen, schob sich die Flotte nach Süden. Karidon setzte, ohne darüber nachzudenken, was er zählte, die Tagespflöcke um, bis sich die Sachmet der Flanke Ta-Setis näherte und die folgenden Schiffe in die seeartige Verbreiterung einfuhren. Auch die Morgenröte legte an Nefer-Herenptahs Insel an; die anderen Schiffe am Steuerbordufer. Die Soldaten gingen von Bord, die Morgenröte wurde gereinigt und mit Proviant und Wasser ausgerüstet. Sie legte zwei Tage später ab. In Men-nefer übernahmen sie anhand langer Listen die Handelswaren; zwei Künstler und deren junge Gehilfen gingen an Bord. Ptah-Netjerimaat und Khenso, ihr Gepäck in großen Truhen und Ledersäcken, lösten Mlaisso ab. Viele Bierkrüge steckten in den federnden Hülsen aus Rohrgeflecht; für die Rômetkünstler. Mlaisso winkte, bis die Morgenröte hinter den Vorratshäusern verschwunden war.

    Wasser für den Holztank und große Ballen Shafadublätter in Pa-Beseth, wenig Zinn und viel Bronze in Uschu; Bronze und kein Zinn in Gubla: das Angebot an Bronze im

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