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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Monde, neunzig oder hundert Tage und Nächte, tobten nun die Winterstürme des Großen Grünen. Karidon und Jehoumilq wollten nach der Rückfahrt von Itch-Taui das Schiff aufs Trockene bringen und ausbessern lassen. Karidon folgte den Dienern ins warme Halbdunkel des Hauses. Khenso und Ptah waren nirgendwo zu sehen. Unter den aufgerollten Schilfmatten des Eingangs drehte sich Karidon um; Jehoumilq stützte sich schwer auf die Bordwand und beobachtete das Treiben zwischen Haus und Ufer. Sein Gesichtsausdruck war undeutbar; er schien zu grübeln.

    An beiden Ufern pflügten Bauern mit Ochsengespannen. Schafherden traten die Kornsaat in den Boden, umflattert von Vogelschwärmen. An einem langen Uferstück wurde das Ried unter der Wasserfläche abgesichelt, als Flechtmaterial, und damit Stechmücken nicht darin brüteten. Die schwache Strömung im Kanal zog die Morgenröte nach Norden; zehn Mann unterstützten rudernd die Paddler in den drei Schilfbooten. Karidon hatte einen Boten zu Cha-Osen-Ra geschickt. Viel zu langsam näherte sich das Schiff der Stadt. Karidon, der das Ruder führte, erkannte Itch-Taui nicht wieder: Palast und Tempel waren erweitert, Kornspeicher und Wohnhäuser neu errichtet worden. Vor einer Stunde waren sie an einem langgezogenen Dörfchen vorbeigekommen, in dem Handwerker und Arbeiter wohnten. Holx-Amr und Selkara verstauten die Riemen und ordneten die Schlingen der Wurfleinen. Sogar der Hafen war durch zwei Anlegestege aus Stein und Holz erweitert worden. Karidon zählte neun Schiffe und deutete auf den Platz neben einem Standbild Chakauras; dort standen Männer in weißen Kopftüchern und Schurzen und schwenkten ihre Stäbe.
    Vor dem Palast, auf einer Sandfläche im Schatten der Weidenbäume und Palmen, schritten unruhig junge Löwen hinter dem Zaungatter aus Balken, Flechtwerkvierecken aus Binsen und Holz, die in sieben Ellen hohen Pfeilern eingemauert waren. Karidon sah durch die Zwischenräume der rot gestrichenen Gitter; er zählte drei Männchen und zwei weibliche Tiere. Grollend bäumte sich ein Löwe über dem Weibchen und biss sie in den Nacken, während er sie mit heftigen Stößen begattete. Ptah pfiff anerkennend durch die Zähne.
    Als die Morgenröte herumschwang, sahen und hörten Karidon und Jehoumilq die Laute einer großen Menschenmenge. Jehoumilq murmelte: »Früher war's hier gemütlicher. Immerhin: man schreibt das Jahr Zehn!«
    Zwischen Gerüsten und Mauern schleppten kushitische Sklaven Lehmziegel. Schier endlose Reihen von Männern und Frauen, die Krüge und Körbe auf den Schultern trugen, schlängelten sich durch die Gassen, stiegen treppauf und treppab. Aus allen Richtungen erklangen die Schläge von Stein auf Stein, Bronze auf Stein, Bronze und Eisen auf mürbem Mauerwerk; Geschrei, Gelächter, Rufe und Befehle zerhackten das Lärmen. Esel, hochbeladen mit Salz, Natrum, Binsen und Schilf, trippelten an den Schiffen vorbei. Auf Dächern und Simsen gurrten Tauben, Sperlinge pickten im Kot, und durch das Gedränge schoben sich speertragende Palastwachen. Itch-Taui zeigte das erprobte Abbild der Rômet-Ordnung; jeder Mensch kannte seinen Platz in der Gemeinschaft. Die Riemen klapperten gegen die Planken, die Arbeiter zerrten die Schlingen der Trossen um die Balkenbündel. Karidon beugte sich zu den Paddlern und rief:
    »Fahrt zurück zu Neb Mlaisso. Sagt ihm, er soll die Schleuse vorbereiten, fürs Schiff.«
    »Wir warten auf euch, Neb Karidon. Wirst du vor dem Angesicht des Goldhorus steh'n?«
    »Ich weiß es nicht.« Karidon drehte die Pinne längs zur Bordwand und knotete sie fest. »Ich glaube nicht, dass er Zeit für seine Bronzehändler hat.«
    »Sollte er aber.« Jehoumilq spuckte ins Hafenwasser.
    »Cabul! Wir haben ihm Bronze für ein ganzes Heer gebracht, und jetzt bekommt er auch noch Eisen – ein Fest sollte er für uns ausrichten!«
    »Abwarten.« Karidon hob die Hände und zeigte grinsend auf eine Gruppe – sieben Männer und eine Frau, die auf den Steg zukamen. »Bisher konnten wir über seine Großzügigkeit nicht klagen. Siehst du – man hat auf uns gewartet.«
    Jehoumilq kratzte im verwilderten Bart; um seine Augen bildeten sich die Fältchen eines Lächelns. »Die gute, berechenbare Ordnung der Rômet! Ein liebenswertes Völkchen!«
    Sie gingen hintereinander über die federnde Planke, blieben zwischen Bronzebarren und Säcken, Krügen und Truhen stehen und warteten, während Ptah, Holx und die Ruderer weiter ausluden.
    Karidon kannte keinen der

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