Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
Vom Netzwerk:
Balsamierungszelt stand, nahe des Ufers, im Tamariskenwäldchen südlich von Itch-Taui. Tama-Hathor-Merits Körper, gewaschen und bis auf Herz und Nieren ohne alle Organe, ohne Gehirn, das mit Bronzehaken durch die Nasenlöcher entfernt worden war, hatte sechsunddreißig Tage und Nächte lang seine Feuchtigkeit an trockenes Natriumsalz abgegeben. Die Priester hatten die Haut mit Harz und wohlriechenden Ölen bestrichen und mit salbengetränkten Leinenbinden umwickelt, zwischen deren Lagen Myrrhe, Kräuter, Amulette und Schmuckstücke eingebettet waren. Über dem Herzen lag ein Cheperkäfer; er sollte beim Totengericht die Reinheit ihres Lebens verkünden. Ein Kranz aus blauen Lotosblüten wand sich um den Hals des starren Kokons aus Leinen, ehe er in den ersten, dünnen Sarg gelegt wurde. Karidon schluckte; seine Augen brannten. Nefer-Ihat streichelte seinen Arm.
    »Sie hat für ihr zweites Leben mehr, als sie braucht«, flüsterte sie. »Gewänder und Schmuck, Wein und Essen bringt man ihr, und viele Uschebti-Diener stehen um den Sarg, Kari.«
    Er zuckte mit den Schultern und starrte auf die Sandfläche, aus der sich die hellen Dreiecke erhoben. Sie war sorgfältig geglättet und mit Blüten bestreut, zwischen denen Sperlinge pickten. Die Schiffe erreichten das Ufer, schoben sich auf den Sand, und Priester trugen den Sarg zum Steintisch, an dem die Mundöffnung vollzogen werden sollte. Aus vier Krügen, den Himmelsrichtungen entsprechend, lief Wasser in den Sand, und in vier Schalen brannte Weihrauch. Ein Priester schlug einem Kälbchen den rechten Vorderfuß ab und opferte das Tier; der Sarg wurde geöffnet. Karidon sah, wie die Binden des Kopfes zuerst mit dem blutenden Vorderschenkel, dann mit dem bronzenen Haken des Anubis berührt wurden.
    »Wirst du sprechen und gehen können, bei den Göttern, Tamahat?« Karidon hob die Schultern und wartete, bis der Priester mit dem Widderkopfstab viermal Mund und Augen Tamahats berührt hatte. Die Zeremonie, deren Länge ihn peinigte, ging weiter; er konnte nicht sehen, was die Priester mit meißelartigen Werkzeugen, Fingern und Stäben taten, während der Sarg halb geöffnet dastand.
    Dumpfer Gesang mischte sich in die anschwellende Musik, als im Eingang des Grabmals die Tischplatten auf Böcke gestellt und mit Tüchern bedeckt wurden. Chakaura und Hathor-Iunit, dicke Blütenkränze um den Hals, ließen sich das zeremonielle Essen reichen und warteten, bis der Sarg geschlossen und in die Vorkammer des Grabes getragen worden war. Die Priester stellten sich an der Wand auf, Arbeiter drängten heran; Karidon und Nefer-Ihat konnten nicht mehr erkennen, was im Grab geschah. Sie sagte leise:
    »Das Essen wird gesammelt, Kari. Der Sarg wird im schweren Steinsarg verschlossen – es ist vorbei für uns.« Sie sprach lauter, weil Gesang und Musik anschwollen. Karidon nickte und starrte blicklos auf Priester und Grabarbeiter, auf die Mitglieder der Königsfamilie, auf Chakaura und einige Würdenträger, die vor der steinernen Rampe standen. Er glaubte, das dröhnende Knirschen zu hören, mit dem sich der Deckel auf den Steinsarg senkte. Zwei Diener stützten Ikhernofret. Karidon blickte in Ihats regloses Gesicht.
    »Es ist auch vorbei für Tamahat«, murmelte er, stand auf und nahm ihre Hand. Sie gingen langsam zum Ufer und warteten winkend, bis Nachtmins Boot sie aufnahm und zurückbrachte.

    »Wohin ihr nachher segelt oder rudert, soll mir gleich sein.« Jehoumilq blickte sich um. Kalter Pharmuti-Nordwind winselte aus den Löchern der Luftkanäle. »Mich und meine Begleitung setzt ihr in Arni ab oder in Mnis. Zu Pachos müsst ihr ohnehin, wegen des Eisens. Einverstanden, Karidon?«
    »Ohne Mlaisso und Tenbi«, sagte Karidon. »Aber mit Ptah. Mlaisso will bei Frau und Kind bleiben.«
    Die Auge der Morgenröte, vollständig überholt und neu ausgerüstet, war aus der Grube und an den kleinen Steinkai gezogen worden. Aus dem Inneren des Hauses hörte Karidon das Geschrei Pi-Ikas. Hesqemari und Larreto schleppten gesiegelte Bierkrüge und ihre Watsäcke über die Planke.
    »Weiß ich. Wir haben's besprochen. Und du – du wartest auf deinen schreibkundigen Freund? Wann rudern wir nach Men-nefer? In drei, vier Tagen?«
    Karidon nickte. Obwohl Jehoumilq vor ihm saß, war es, als wäre er schon von Bord gegangen. Nächtelang hatte Karidon nachgedacht: es gab wenig, was er nicht ebenso gut konnte wie der alte Kapitän, aber er fühlte sich noch immer wie der Schüler an den Knien des

Weitere Kostenlose Bücher