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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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und legte ihre Finger auf seine Hand.
    »Ich weiß, dass ich nicht die Frau bin, die du liebst. Aber ich bin dir eine gute Geliebte, eine Schwester. Hör, was ich dir sage. Ich würde dich begleiten, wenn ich mich nicht vor dem Großen Grünen fürchten würde; mehr als du ahnst.«
    Er nickte. Ein Nachtfalter umkreiste surrend die Ölflämmchen.
    »Weil beide Frauen, die du geliebt hast, gestorben sind, sind deine Gedanken düster, und schwarz, wenn du dir vorstellst, ohne Jehou zu segeln. Du hast mehr Freunde als Feinde, Kari. Niemand wird dich töten. In Kefti wartet Jehou, und hier warte ich; Nefer-Ihat, deine Shenet. Verlang nicht zu viel vom Schicksal, das die Götter bestimmen.« Sie zuckte mit den Schultern. »Auch wenn du nicht an unsere vielen Götter glaubst. Du wirst viele Jahre segeln, handeln und unnennbar reich werden.«
    Karidon presste ihre Hand auf seine Brust und schwieg. Das Schilf, das im Wind raschelte, klang nach dem Rauschen der Brandung. Die Laute der Nachtvögel waren wie ferne Schritte oder Aufschläge der Tropfen aus einer Wasseruhr. Langsam wandte er sich Ihat zu, sammelte seine Gedanken und zwang sich, auszusprechen, was er wirklich empfand und dachte.
    »Shenet Ihat. Ich werde immer daran denken, dass du mir Mut zugesprochen hast – ja, ich bin froh, dass du hier wartest. Damals ... früher, da hab ich an Tamahat gedacht. Nun denk ich an Shenet Nefer-Ihat Aber ich denk auch an die Fürsten, die uns Rache geschworen haben. Und an den alten Kapitän, an die Jahre, die vor mir liegen.«
    »Karidon! Es werden gute Jahre sein.«
    »Woher weißt du das so sicher?«
    »Weil ...« Ihat nahm lächelnd seine Hände und legte sie auf ihre Brüste. »Weil ich es mir wünsche, so wie Tenbi, Mlaisso, Ptah und alle anderen. Weil der Goldhorus euch braucht, die Händler seiner Waffen.«
    Ihat richtete sich auf und sah ihm lächelnd in die Augen. Sie flüsterte:
    »Fahr los, Kapitän. Werde reich und such die Zinnhäfen. Du wirst alles bekommen, wovon du träumst. Frag nicht, warum ich es weiß. Vielleicht, weil ich lange in deine grünen Augen gesehen hab.«
    Er stützte sich auf die Ellbogen. Ihat richtete sich auf, streckte die Hände aus und legte sie an seine Wangen; sie küsste ihn kühl und schwesterlich; Karidon glaubte zu verstehen, dass sie in Gedanken weiter sah als er.

    Die Auge der Morgenröte glitt durch den Kanal nach Men-nefer, stapelte die umfangreiche Ladung im Kielraum, ruderte stromab und segelte mit gutem Dardan und milder Fafana nach Uschu-Djarh. Jehoumilq tauschte zu gutem Preis Kupfer und Zinn ein und fragte den Statthalter nach dem Sklavenmarkt; es gäbe, erfuhr er, keinen besseren, mit größerem Angebot, als in Gubla. Ptah und Karidon steuerten die Morgenröte lange vor dem Sonnenaufgang, im ablandigen Wind, aus dem Hafen.

22. Die Pfeile der Maat

    Eine Stunde lang versuchte Chakaura, sich gegen das grelle Licht des Sonnenaufgangs zu schützen, aber gähnend nahm er es hin, dass die Nacht mit ihren grauen Träumen vorbei war. Er setzte sich auf, tastete über die zerknüllten Laken und merkte, dass er allein war. Er schwang die Füße auf die Flechtmatten und zwang sich, die Augen zu öffnen. Lippen, Gaumen und Zunge waren trocken wie Sand. Er starrte, ohne zu erkennen, was er sah, die Bilder und Schriftzeichen an den Wänden an, er gähnte wieder und reckte seine Muskeln. Unterhalb des linken Augenlides zuckte pochend ein Muskel. Er versuchte sich zu erinnern, welche Pflichten er an diesem Tag zu erfüllen hatte; ihm graute vor jeder Stunde.
    »Das Opfer im Tempel«, murmelte er. »Und alles andere. Die Gräberschänder. Pije-Ipi, der Zahlennarr. Tausend schlechte Fragen und Antworten.«
    Seine Gedanken teilten sich in Gegenwart und die nächsten Zehntage und Monde. Er kam schwankend auf die Füße, wusch sich flüchtig, trank langsam zwei Krüge Wasser, gurgelte mit verdünntem Kräuterauszug, tappte quer durch den Raum und stützte sich schwer mit beiden Händen gegen die Wand. Das kalte Wasser ließ seine Zähne schmerzen; er sehnte sich nach tiefem Schlaf im Kühlen. Als seine Finger über den Elfenbeinkamm fuhren, klebten plötzlich Staub, Hautschuppen und Haare an den Zähnen. Die Härchen an Chakauras Unterarmen richteten sich auf.
    Im Palast herrschte Stille. Nur aus dem Küchengebäude kam gedämpfter Lärm. Chakaura fühlte sich, als sei er ein Greis; jedes seiner sechsunddreißig Jahre schien doppelt zu wiegen. Er blieb am Ende des Ganges zwischen den Säulen

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