Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
Vom Netzwerk:
stehen, roch deren ausdünstende Feuchtigkeit und tappte durch den Mauerdurchbruch in einen unfertigen Teil. Am Lehmboden, der an vielen Stellen noch nicht festgestampft war, sah er Linien und Zeichen aus Kalk. Langsam krochen einige Heuschrecken aus dem feuchten Schatten. Djedamun-Hesire hatte viele Messungen und Berechnungen vornehmen lassen: am Beginn der Jahreszeit Achet würden die Strahlen der aufgehenden Sonne an drei aufeinanderfolgenden Morgen die Statuen Hapis, der Sachmet und des Ptah beleuchten. Chakaura bückte sich stöhnend, hob die Sandale auf und erschlug die Heuschrecken. Auch an den Abenden des letzten Choyak-Tages und des ersten im Tybi, anfangs der Aussaatzeit, würde man abends aus dem Großen Saal ins Auge von Rê-Harachtes rotem Gestirn sehen können.
    In unfertigen, mannshohen Mauern sah Chakaura die Hohlräume der Luftkanäle, die in viele Räume führten und im Saal der Göttlichen Einsamkeit zusammenliefen. Sie würden Kühlung ins Innere des Gebäudes bringen und ebenso dazu dienen, Chakauras Misstrauen zu bestätigen oder zu zerstreuen. Über eine feuchte Rampe kletterte er auf ein halbfertiges Dach; die Menge der Pfeiler, Säulen, Mauerteile und Gerüste verwirrte ihn. Er blinzelte, schüttelte sich und ging in den Schatten, den ein Haufen weißer Quadern warf. Er blickte nach Osten und sah jenseits der Palmwipfel einen Sandwirbel oder eine kleine dunkle Wolke.
    Die meisten Dattelpalmen waren auf seinen Befehl gepflanzt worden. Nach dreißig Jahren würden sie, sieben Jahrzehnte lang, Früchte tragen – würde er die erste Ernte miterleben dürfen? Lange Reihen trocknender Lehmziegel und jede Mauer, jede Säule stanken nach fauligem Hapiwasser; Kalk und Erdfarben sonderten stechende Gerüche ab. Chakaura murmelte:
    »Wann wird es aufhören? Wann wird endlich Ruhe sein? Wann kann ich sagen: Alles ist gut?«
    Unrast und ein ständig anschwellender Strom von Fragen, Briefen, Berechnungen und Kämpfen, machterhaltenden und dem Machterhalt untergeordneten Entscheidungen füllten seine Tage und viele Nachtstunden. Chakaura vermisste die Ruhe, die er zum Nachdenken und Abwägen brauchte; er hasste vorschnelle Entschlüsse. Sein Ka vollführte wirre Sprünge – Sat-Hathors erstes Kind, eine Tochter, war nach wenigen Tagen gestorben; die Trauer lahmte die Königin und einen Teil ihrer Dienerschaft, und das Entsetzen darüber, dass in den Arbeiterdörfern einige Männer gefasst worden waren, war zu kalter Wut geworden: sie hatten die Siegel gottherrscherlicher Sehedhu-Gräber erbrochen und diese, durch Stollen und Gänge hindurch, geschändet und ihrer goldenen Beigaben beraubt. Die Schänder würden den Sonnenuntergang nicht mehr erleben. Chakaura ballte die Hände zu Fäusten, kletterte weiter und blickte zum Mu-Wer-See über Teile der Vorstadt und Vierecke der Felder hinweg. Die Ernten waren gut und ausreichend gewesen; beide Lande, gewissenhaft vermessen, vergrößerten durch Abgaben den Schatz im Palast.
    »Die Monde und Jahre sind dahingerast«, murmelte er. »Und meine Träume sind schal und grau.« Er hob die Schultern und ging durch das taufeuchte Gras des Gartens zurück in die dämmerige Tiefe des Großen Hauses.

    Im Saal der Doppelkrone warteten der Oberste Baumeister mit seinen Djadjad und dem Höchsten Heri-Udjeb der Palastbauten. Ihre Heka-Krummstäbe klapperten, als sie sich zu Boden warfen. Cha-Osen-Ra winkte aufgeregt seine Schreiber heran. Chakaura ging hinter den Tisch und setzte sich; Sockel und Platte waren wie ein Wall gegen die irdischen Misslichkeiten. Er stützte den rechten Ellbogen auf und strich über den goldenen Horus des Brustschmucks.
    »Oberster Medech Djetamun-Hesire!« Chakaura blickte in die Augen des Greises. »Baumeister unzählbarer schöner Tempel und Häuser! Heute Morgen bin ich im neuen Palastbau umhergegangen, und alles, was ich sah, erfreut mein Auge und mein Herz. Jetzt sage ich: baue es schnell so, wie wir es oft besprochen haben; ich will, dass endlich die Baustellen in Itch-Taui verschwinden. Tatji Osen-Ra wird deine Arbeiter verpflegen – holt mehr Handwerker und Künstler zusammen. Der Goldhorus will am ersten Tag des Thot den Sepedet und die Sonne aus dem Palast sehen, in fünfzehn Monden also! Du wirst es schaffen, Baumeister meines Vaters?«
    »Herr! Jedes Fundament, wie du's gesehen hast, ruht tief im Sand. Alle Pfeiler, Mauern und Dächer werden wir in drei, vier Monden errichtet haben, und dann mag das Mauerwerk austrocknen, in guter

Weitere Kostenlose Bücher