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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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haben. Das Gericht ist zusammengetreten und hat sein Urteil gefällt. Nun wende ich, der Goldhorus im Großen Haus, das Gesetz an.«
    Er machte eine Pause und deutete mit dem Zepter. »Bringt sie her. Sie werden getötet, ihre Körper werden in Teile zerhackt und zu den Geschöpfen des Krokodilgottes Sobek geworfen.«
    Ein Stöhnen des Entsetzens ging durch die Volksmenge, als sich langsam eine Doppelreihe, von Soldaten und Priestern gebildet, zum Mittelpunkt des Platzes bewegte. Soldaten zerrten die Gefangenen aus der Dunkelheit des Gewölbes ins Licht; ihre Handgelenke waren auf dem Rücken zusammengebunden, und jede Bewegung der Arme zog die Schlingen um die Hälse weiter zu. Schweißnasse Priester schlugen mit Peitschen auf Köpfe, Schultern und Rücken der Stöhnenden, die Soldaten rissen die Stolpernden an Lederseilen in die Höhe. Sokar-Nachtmin wischte zwei Heuschrecken von seiner Schulter und beobachtete die Soldaten, deren Schilde die Bewohner der Stadt zurückdrängten. Die Gefangenen waren nackt, ihre Körper von Striemen, aufgeplatzten Brandblasen und schorfigen Wunden übersät. Sie taumelten durch die Gasse, brachen zusammen und wurden auf die Füße gepeitscht. Schweigend und erschreckt starrte die Menge die blutenden Körper an. Nacheinander knoteten die Priester die Fesseln auf, rissen die Arme um die Steinsäulen und banden zuerst die Frau aufrecht an die Quadersteine, die Männer wurden rechts und links der Priesterin an den Stein gefesselt. Chakauras Augen waren halb geschlossen, sein Gesicht unbewegt; er rief:
    »Maat verlangt von jedem, dass die Waage seines Lebens und seiner Taten ausgeglichen sei. Die Gerechtigkeit ist wunderbar, und die Taten der namenlosen Frau und der Männer sind Verbrechen gegen die göttlichen Gesetze. Es ist ihnen nicht erlaubt, wie ihren mitschuldigen Verwandten, in den Bergwerken oder der Verbannung weiterzuleben.«
    Er hob die Hand und verscheuchte einige Heuschrecken, die an seinem Schurz zuckten. Über seinem Kopf peitschten die Straußenfedern der Wedel die Luft. Soldaten und Priester traten zurück und bildeten eine Reihe vor den drängenden Menschen. Über das Stöhnen und Wimmern der Geschundenen und das Murmeln der Menschenmenge schob sich ein leises Summen wie das eines fernen Sandsturms. Hinter den Mauern begannen Hunde zu jaulen; ein Löwe brüllte.
    »Die gerechten Götter haben beschlossen, dass ihr Leben ausgelöscht werden soll, als habe es sie nie gegeben. Jeder soll sehen, wie sie vom Erdboden getilgt werden.« Chakaura hob den Krummstab.
    Sokar-Nachtmin deutete mit der Kampfaxt auf Peser; der Bogenschütze nickte und zog die Sehne bis zum Ohr. Der Pfeil heulte am Podest vorbei und traf die schwankende, wimmernde Frau in die linke Brust. Der Körper zuckte, riss an den Fesseln, der Kopf schlug hart gegen den Quader; als Pesers zweiter Pfeil in die Brust eines Mannes schlug, knickten die Knie der Frau ein, und aus ihrem Mund quoll ein Blutstrom. Sokar-Nachtmins Blick ging über den Bogenschützen hinweg nach Osten. Dort waren Palmwedel und Baumäste in zitternde Bewegung geraten. Wie große Tropfen fielen fingergroße Körper aus der Luft, einzeln, zu mehreren, zu Dutzenden, Hunderten und Tausenden, sprangen in flachen Bögen über Sand, Steine und Ziegel, einige Herzschläge später prasselte mit schwirrenden Flügeln ein mannsgroßer Schwärm herunter. Chakaura drehte den Kopf hin und her, trat unter dem Sonnensegel hervor, das von einer krabbelnden, knisternden Schicht Heuschrecken bedeckt war, blickte in den Himmel und rief:
    »Ein Zeichen des göttlichen Zorns! Heuschrecken! Zertretet sie, holt Feuer, schlagt sie tot, ehe sie über die Ernte kommen!«
    Die Menschen begannen, wild um sich zu schlagen. Schreie versetzten die Menge in Furcht. Chakauras Gefolge rannte, die Hände über den Köpfen, zum Palast. Heuschrecken wimmelten über den Sand, bedeckten übereinanderkrabbelnd die Körper der Gefesselten, krochen wimmelnd über das Gras und fielen über die Bäume und Büsche her, wuselten durcheinander, übereinander, hüpften und krabbelten; Nachtmin schlug auf die Tiere und zerquetschte sie auf den Schultern und Schenkeln. An den Rändern löste sich die Menschenmenge auf, die Einwohner rannten auseinander; braune Dunkelheit breitete sich über Itch-Taui aus.
    Von den Soldaten gefolgt, die ihre Schilde über den Köpfen hochstemmten, lief Sokar-Nachtmin die Rampe hinunter. Chakaura und die Wedler gingen zum Palast zurück, der Goldhorus, von

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