Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
Vom Netzwerk:
ist eine schöne, reiche Insel. Und die Morgenröte ist ein gutes Schiff.«
    »Mit einer feinen Mannschaft. Wahr gesprochen.« Hesqemari zeigte zum Eingang. Er kicherte. »Da kommt euer Herr und Bräutigam, der Großvater des Schielschiffes.«
    In völliger Lautlosigkeit, bei warmem ablandigen Wind, durch mondlichtüberströmtes, fast regungsloses Wasser glitt die Auge der Morgenröte über die Linie, die das kleine Felsenkap mit dem halb erloschenen Leuchtfeuer auf dem Turm des Hafendammes verband. Das Segel wölbte sich mit dumpfem Rauschen, fiel zusammen und blähte sich wieder; Holx-Amr und Karidon standen an den Ruderpinnen und lauschten. Ptah, der sich über den Bug beugte, spähte schweigend nach vorn. Es kam kein warnender Ruf; der Bogen des sternübersäten Götterweges wölbte sich an Steuerbord voraus, und Karidon fand schnell, vier Stunden nach Mitternacht, die vertrauten Sternbilder wieder. Noch war es leicht, den Kurs nach Kit an Alashias Südküste zu steuern. Mit der Morgensonne im Heck und aufkommender Fafana, weit vor Mittag, würde es für die Steuermänner schwerer werden, das Ziel in der kürzesten Zeit zu erreichen. Karidon setzte sich auf die Heckkiste, nachdem er die Pinne festgebunden hatte. Er starrte in die Sterne, lauschte auf das Plätschern der Bugwelle und das rauschende Heckwasser. Als er, eine Stunde später, die weiße Spur eines verlöschenden Sternensplitters sah, stieß er Holx-Amr an und dachte an das Himmelsmetall, an Pachos und Bronzeschmied Keiron, Jehous schönes Haus und Tamahats Grab; wenn er die Zinnhäfen suchte, würde er die Morgenröte in einer solch ruhigen Nacht entlang unbekannter Küsten und zwischen Inseln steuern, deren Namen und Buchten, Strömungen und Gerüche er sich nicht vorzustellen vermochte. Kurz nach der Dämmerung roch es nach Hesqes Kräuteraufguss; Karidon trank zwei Becher und ließ sich drei Stunden nach Sonnenaufgang von Netji ablösen. Er nickte Jehoumilq und Gaitha zu, die im Bug saßen und redeten, und streckte sich unter den Heckplanken auf der schmalen Liege aus.

    An Steuerbord hinter dem Heck verschwanden fast gleichzeitig Kap Thirr und die Insel Shorph, dahinter der graue Schatten Mynders. Karq war nicht mehr zu sehen. Karidon wischte blinzelnd das Salz von der gelb bemalten Schnitzwerksonne im Bug und drehte sich um; die Sonne des frühen Abends, die sich zu röten begann, blendete. Tarben saß, fünf Schritt entfernt, auf ihrem wollenen Mantel, lehnte gegen die Bordwand und rasierte die Haare von der linken Wade. Das Öl am Bronzeschaber wischte sie in einen Lappen; dann blickte sie auf und lächelte. Binnen kurzer Zeit hatte sich ihre Haut gerötet; ihr Haar war in Dutzende fingerdünner Zöpfe geflochten. Karidon rief Jehoumilq an, der am Mast lehnte.
    »Es wird spät, Jehou. Wollen wir nachts nach Arni, oder bleiben wir in der Bucht unserer Niederlage?«
    »Wohin würdest du steuern, wenn ich nicht an Bord wäre, Krabbe?«
    »In die Bucht, die wir kennen.«
    »Dann lass in die Bucht steuern, die wir kennen.«
    Tarben zuckte zusammen und schmierte Speichel auf den Schnitt über dem Spann. Karidon erinnerte sich an die Katze und den Steinbrocken, um den Hesqemari den Lederriemen geknotet hatte, und an die rasenden Bewegungen des Tieres, als es im Hafenwasser ersäuft wurde. Er balancierte zum Heck, stellte sich zwischen Selkara und Holx-Amr und sagte:
    »In die Bucht, Freunde, zur Quelle und den Felsen, wo unsere alte Horus zerbrach. Mit dem Heck zum Strand. Wir kommen, ohne Hast und Eile, noch bei Tageslicht hinein.«
    »Verstanden, Neb Karidon«, sagte Holx-Amr. Seit Gubla hatte er nicht einmal gespien; vielleicht, sagte sich Karidon, ließ diese Fähigkeit mit zunehmendem Alter nach. Er hob die Hand über die Augen und schätzte die Entfernung.
    »Saigoos, Kadran, Larreto und Ptah: den Ankerstein an Deck, genügend Tau, und bereit für das Segel. Wir gehen in die kleine Horus-Wrack-Bucht mit der Quelle!«
    »Verstanden, Kapitän.«
    Selbst Wind und Wellen schienen Karidon wohlgesonnen: die Rah fiel im richtigen Augenblick, der Ankerstein mit den Rômetschriftzeichen schlug klatschend ins Wasser, und das Tau surrte durch das Loch der Bugbordwand. Das Schiff schwang langsam herum, die Steuerruder wurden im richtigen Moment hochgezogen, und das Heck knirschte auf den Sand. Eine leichte Erschütterung ging durch die Morgenröte, der Mast schwankte, Kadran sprang über die Bordwand und watete, die Landleine über der Schulter, zu den

Weitere Kostenlose Bücher