Der Bronzehändler
und Wohlergehen dir, Horus beider Länder.«
Starr ging Chakaura auf die Öffnungen zwischen den Säulen zu. Karidon schob sich durch das Gewühl, griff nach einem Steinbecher voll Wein und blickte zum halbleeren Podium. Er sah im Saal einige vertraute Gesichter und ging, verfolgt von schrillen Harfenklängen, über den feuchten Rasen zum Zelt aus Leinen, das die Terrasse überspannte. Auf einer goldfunkelnden Liege und zwei Schemeln ahnte er hinter schwankenden Schleiern die Gestalten dreier junger Frauen.
6. Die Höhle der Erinnerungen
Tama-Hathor-Merit hatte die Perücke abgenommen. Eine Dienerin flocht silberne und goldene Perlen aus dem schulterlangen Haar, auf dem bläuliche Schatten spielten. Vierfach gestaffelte und unterschiedlich weit zugezogene Vorhänge schwangen in senkrechten Falten zwischen roten Säulen, die den Durchgang in den Palast stützten. Die Prinzessin hob den Kopf, als sie Karidon hörte. Der Elfenbeinkamm fiel aus den Fingern der Dienerin.
»Lass dich nicht von Mücken stechen, Brandungskapitän«, sagte Tama-Hathor-Merit leise. »Heb den Vorhang. Komm zu uns, grünäugiger Fremder.«
Karidon schlüpfte unter dem Gespinst hindurch, ging näher und verbeugte sich. Die Dienerinnen musterten ihn mit offener Neugierde. Die Prinzessin warf ihm einen raschen Blick zu, deutete auf den leeren Hocker und lächelte. Karidon setzte sich und drehte den Weinbecher in den Fingern.
»Der Goldene Horus, dein Bruder, befahl mir, dir bestimmte Geschichten zu erzählen, bis du müde davon geworden bist. Wo soll ich anfangen?«
»Fang damit an, dass du dich näher zu mir setzt.« Sie schlug die Beine übereinander. Im Gegensatz zu Chakaura schien sie, selbstbewusst, zu wissen, was sie wollte. Das Geschmeide des Wesech rutschte über ihre vollen Brüste unter dem weißen Leinen. »Kawit und Tuja sind fast damit fertig, meine zeremonielle Schönheit zu beseitigen. Shen Chakaura hat dir alles gesagt, was er seit einem vollen Mond bedacht und geplant hat?«
»So ist es, und ich wundere mich ein wenig, dass Shenet Tama-Hathor-Merit davon weiß. Sprachen die Götter so laut und durchdringend?« Karidon deutete auf die Mauer. Hathor-Merit schüttelte den Kopf. Die Dienerin faltete die Tücher, mit denen sie das Salböl aus dem Haar gewischt hatte.
»Bruder und Schwester, Shen und Shenet«, sagte Hathor-Iunit kühl. »Wenig bleibt in diesen Mauern unausgesprochen; es wird gehört und verstanden. Ich hätte gern im Binsenboot mit euch Libellen und Frösche gejagt. Ich hab zitternd zwei Nächte bei ihm gewacht, als ihn der Krokodilgott zu sich holen wollte, im Hapischlamm. Er vertraut mir und Hathor-Iunit. Nicht so wie seinen Ratgebern, aber mehr als jeder anderen Frau. Du fragst – bin ich es nun, die wahre Geschichten erzählt? Fürchtest du, dich einer Prinzessin zu nähern?«
»Was mich ehrt, Herrin.« Karidon nippte am Henket. Die Perlen klirrten in eine Schale. Eine Dienerin zog sich in den Palast zurück. Hathor-Merit nickte dem anderen Mädchen zu und zeigte mit dem Finger, dessen Nagel silbern aufblitzte, auf einige Lämpchen. »Nein. Ich fürchte mich nicht davor. Als wir im Messes, das ist der schlimmste Sturm vor Kefti, an Bord der Horus um unser Leben kämpften, dachte ich an Men-nefer, an die Neue Stadt und an Parennefers Häuschen am Hapi. Dass ich nachts auf deiner Terrasse sitzen darf, davon hab ich nicht einmal geträumt.«
Er lehnte sich zurück und umfasste das Knie mit beiden Händen. Die Dienerin huschte umher und löschte die Hälfte der Ölflammen. Im Garten maunzte ein Gepard, ein aufgescheuchter Reiher trompetete laut. Karidon hatte begriffen, dass er seit der Puntfahrt Gegenstand mancher Gespräche und vieler klarer Überlegungen des Goldhorus Chakaura gewesen war, und mit ihm eine Handvoll anderer Männer. Jehoumilq, zweifellos, auch die Freunde aus der Schreibschule. Er fühlte sich, als versuche er auf nassen, schwankenden Planken gerade zu gehen. Die Grenze, an der die göttliche Bedeutung des Herrschers und Shenet Tama-Hathor-Merit und deren Verhalten als Rômet ineinandergriffen und sich, wie Strudel im Wasser, vermischten, war schwer oder gar nicht zu erkennen. Leise sagte er:
»Abgesehen davon, dass ich als wohlgelittener Ausheimischer im Hapiland lebe und Nechoschet bringe – wie kommt es, dass du mich gerufen hast? Prüfst du, ob ich das Vertrauen des Goldhorus verdiene und begreife, was ihr von mir wollt?«
Sie kicherte, wippte mit dem Fuß und hob die Schultern. Die
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