Der Bronzehändler
hinüber.
»Meine Sache, Kapitän.«
Jehoumilqs rechte Pranke legte sich schwer und zupackend auf Karidons Schultergelenk. »Dann geh und komm gesund zurück. Es wird lange dauern, ehe wir wieder Kit anlaufen.«
Karidon hob die Hand, blieb neben dem zweiten Esel stehen, einem kräftigen Hengst, der ihn mit schiefgelegtem Kopf musterte. Wasserschläuche, Mäntel und Watsack waren auf dem Rücken des dritten Tieres festgeschnallt. Jagro, der Besitzer der Tiere, kam aus dem Schatten eines Vordaches hervor.
»Ich hoffe, du hast es nicht eilig, Herr«, sagte er. »Es ist ein beschwerlicher Weg zu den Bergwerken. Hast du an den uralten Priester gedacht?«
Karidon zuckte zusammen und runzelte die Stirn. »Lebt er etwa noch?«
»Gerade noch und nicht mehr lange. Hirten und Bauern bringen ihm Essen. Ein Hemd, ein Mantel oder Sandalen ... er ist arm. Eine Lampe, Öl ...«
»Können wir unterwegs etwas einkaufen?«
»Nein, Herr. Wir finden nur Essen bei den Hirten.«
»Warte hier.« Karidon lief zum Schiff, suchte einige Mitbringsel hervor und verstaute sie im Ledersack. Jagro kletterte auf seinen Esel, ruckte an den Zugriemen; Karidon hielt sich zuerst an der Mähne, dann am Riemen des Brustgeschirrs fest. Hundert Atemzüge lang klapperten die Hufe der dunkelgrauen Tiere auf Pflasterresten und Stein, dann schlängelte sich der Weg zwischen Unkraut, Gebüsch und Feldern hügelaufwärts, nach Nordwesten, den Mittagswolken entgegen, die vom Meer über dichtbewaldeten Berggipfeln durch den Himmel drifteten.
Felder und Weiden verloren sich zwischen Wacholderbüschen, wilden Oliven und Kiefern; die schaukelnden Bewegungen, das Insektengesumm und die Hitze schläferten Karidon ein. Seine Gedanken trieben dahin wie Wolken; die Ohren des Esels zuckten und beschrieben seltsame Bewegungen. Karidon versuchte sich zu erinnern. Die Landschaft schien sich verändert zu haben; sie war friedlich und menschenleer, sommerlich grün, erfüllt vom Geruch der Zedern und des Thymians. Jehoumilq würde versuchen, möglichst viel jener Waren in Bronze einzutauschen, die dem Großen Haus in Itch-Taui gehörten: Myrrhe und Anty-Weihrauchharz, Schmuck – billige Massenarbeiten und Einzelstücke von ausgesuchter Schönheit –, kleine Cheper-Käfer-Siegel, Schnitzereien aus Elfenbein, Salben und Schminke in glasüberperlten Gefäßen, Trinkgefäße aus Straußeneiern, Dutzende Ballen hauchdünnen Rômet-Leinenstoffs, Gold, Straußenfedern, gegerbtes Leder, Alabaster, Karneol und Obsidian, Perlen und Schreibblätter aus Binsenmark – das Geheimnis ihrer Herstellung im Hapiland machte sie unersetzlich. Er murmelte, das Kinn auf der Brust:
»Und alles wird gegen Bronze eingetauscht ... für Pfeilspitzen, Lanzen, Kriegskolben, Beile, Schuppenpanzer, Werkzeuge und die Schilde der Soldaten.«
Jagro drehte sich um. Er versuchte herauszufinden, wem das Murmeln Karidons galt. Karidon nickte ihm zu, blinzelte und wischte Schweiß von der Stirn. Die Esel trippelten in den Schatten mächtiger Eichen. Es roch nach trocknendem Moos. Blaue und braune Falter gaukelten durch schräge Bahnen Sonnenlicht. Geduldig folgten die Reittiere dem Weg, der schmaler wurde und gegen Abend vor einem niedrigen Turm endete, an dessen Flanke sich ein Haus aus Bruchstein schmiegte. Karidon und Jagro unterhielten sich leise, während sie unter dem eingebrochenen Dach ein Feuer machten. Sie aßen und tranken heißen Kräuteraufguss gegen den Durst; Zedernöl aus Gubla half gegen die aufdringlichen Mücken. Karidon verzichtete bewusst darauf, Jagro über das Kupferbergwerk und die Kindersklaven auszufragen – um die Vergangenheit in seinem Herzen loszuwerden, musste er dem Schrecken offenen Auges gegenübertreten.
Um Mittag – sie hatten einen stark gelichteten Schwarzkiefernwald verlassen –, drehte sich Karidon um. Jetzt erkannte er jede Einzelheit des Ausblicks wieder: es hatte damals kaum einen Abend gegeben, an dem sich seine Blicke nicht an dieser gewaltigen Zurschaustellung der uneingegrenzten Freiheit festgefressen hatten: im Hintergrund das endlose, wolkenüberschattete Meer, eine Staffelung von Hügeln in abnehmender Farbigkeit und unzählige Durchblicke auf Lichtungen, Felsen, auf hohe Gräser, die der Wind wie Meereswellen in Wirbeln und Viertelkreisen duckte. Am Rand des Weges moderten Stapel armlanger Baumabschnitte. Karidon erwartete den Geruch von Rauch, verschiedene ätzende Gerüche, jenen einzigartigen Ruch, der aus der stinkenden Finsternis von Stollen
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