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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Haken. Ti-Senbi kam auf bloßen Sohlen, dünne Kettchen aus Gold und Amethyst um die schmalen Hüften und die Fesseln, zum Tisch. Mlaisso blickte lächelnd auf, aber Ti-Senbi schwieg; ihre Augen hafteten auf der Reihe kushitischer Gegenstände, die er dreimal neu geordnet hatte. Ti-Senbi zog die Schultern in die Höhe, drehte die rosa Handflächen nach oben und sah Karidon an.
    »Das seh ich nicht zum ersten Mal ...« Sie sprach Kushitisch mit Mlaisso, er antwortete und klopfte mit dem Binsengriffel auf Karidons Doppelaxt, die quer über einem Schreibleder lag. Karidon kippte den Hocker, lehnte sich gegen die kühle Wand und betrachtete Ti-Senbi, während er vergeblich versuchte, ein Wort der Nehesi-Sprache zu verstehen. Der Vorsteher des Palastes schien Sklavinnen und Dienerinnen nach einem hohen Maßstab der Schönheit und Anmut auszusuchen. Ti-Senbis schwarzes Haar war fingerkurz und lag, ohne zu kräuseln, dicht an der braunen Haut. Ihr schmales Gesicht erhielt durch helle Augenschminke, die schmalrückige Nase und weiße Zähne zwischen breiten, aber nicht wulstigen Lippen einen wissenden Ausdruck. Sie war nicht älter als siebzehn Sommer.
    »Sie sagt dasselbe wie ich, vorläufig.« Mlaisso zog Ti-Senbi an sich und legte die Hand auf ihre Hüfte. »Flüche, Beschwörungen und Warnungen. Wir müssen noch darüber reden.«
    Karidon nickte. Ptah und Holx-Amr kamen herein, schoben die Vorhänge zur Seite und gaben dem Diener ein halbes Dutzend Enten und unterarmlange Hapiwelse, an Binsenringen, die durch die Kiemen gezogen waren. Ptah begrüßte lachend Ti-Senbi.
    »Die Götter haben wohl grauen Missmut über euch gebracht.« Er nickte der Thot-Statue in der Nische zu: der Gott der Weisheit und Schreibkunst als Pavian. »Hat euch der Abschneider von Händen und Zeugungsgliedern erschreckt?«
    »Kaum. Seit Chakaura weiß, dass einhändige Kriegssklaven nur zu wenigen Arbeiten zu gebrauchen sind, sieht man von derlei Kürzungen ab«, sagte Karidon. »Wir sind, während ihr im Wohlleben gebadet habt, zu wichtigen Einsichten gelangt.«
    »Tatsächlich? Ohne mich?« Ptah setzte sich; er und Holx rochen nach Schlamm und Fisch. Jehoumilq rollte ein Schreibblatt zusammen und knotete ein Lederbändchen darum. »Berichtet! Wir hören.«
    »Chakauras neuer Abschnitt der Zeit hat einige Fehler.« Mlaisso hob den Daumen. »Kupfer und Gold aus Kush und Wawat. Die widerspenstigen Gaufürsten. Der Mangel an Bronze.« Er reckte den Ringfinger hoch. »Und die Kupfergruben im Land Retenu, gen Asmach, im Osten.«
    Er schloss die Hand und schlug mit der Faust auf den Tisch.
    Jehoumilq ließ die Shafadurolle raschelnd in den Krug fallen und sagte: »Jeder, der Bronze ins Land bringt und das Wissen, wie man das Metall bearbeitet, bringt Waffen für den Goldhorus. Also: Wir sind Bronzehändler und Waffenhändler. Das macht uns zu Feinden der Gegner des jungen Chakaura. Ich sag's, damit keiner von euch übermütig wird!«
    »Wer sind die Gegner des Goldhorus?«, sagte Ti-Senbi leise. Ihre Stimme war wenig heller als ihre Haut. »Von einigen nahe des Palasts weiß ich.«
    »Wenn du dir vorstellen kannst, Töchterchen, dass ungefähr die Hälfte aller Mächtigen – Fürsten, Verwalter, Priester und Nehesihäuptlinge – nichts von ihrer Macht abgeben wollen, dann kannst du's ohne meine Hilfe ausrechnen.«
    Jehoumilq sah nach den Schatten der Säulen. Sie hatten fast die Decke erreicht; die Wände färbten sich in abendlichem Rot. Der Kapitän betrachtete düster die Anwesenden; seine Finger schlugen langsame Wirbel auf den knisternden Binsenschreibblättern. Er senkte den Kopf und starrte auf Karidons Bronzewaffe. »Armut, Stürme, Schiffsuntergänge, Betrug beim Handel, mörderischen Durst auf der Puntfahrt – alles haben wir überstanden. Vieles hat uns gewitzter und stärker gemacht. Wir bringen Kush, Wawat, Gaufürstenkriege und Ärger um die Bergwerke auch noch hinter uns.« Er machte Bewegungen, als wolle er Vögel aus der Halle scheuchen. Sein Lachen klang schneidend. »Cabul! Was soll das Gerede! Jeder kennt uns, wir werden mit zu viel Ehre und zu wenig Gold überschüttet: wir segeln unseren Weg. Und jetzt – Pflege der Körper, danach Pflege der Lust und Leidenschaft.«
    Karidon zuckte die Schultern und stellte sein Beil an die Wand, neben Pfeilbündel, Schilde und Wurfspeere. »Jossels starke Worte. Genießen wir die letzten Nächte.«

    »Ich habe lange über deine Erzählung von gestern nachgedacht, Kari. Viele Atemzüge lang

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