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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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eine mächtige rostrote Wolke über den Rand der Sonne und wurde, während sie das düstere Glühen schluckte, schwarz wie Ruß; zum sechsten Mal drohte ein Sandsturm, den selbst Ti-Senbi und Mlaisso fürchteten.

    Schon beim Morgengrauen sah die Umgebung wie der Beginn eines Albtraums aus. Ein Schwarm Wüstenlerchen surrte durch den seltsamen Dunst; weder Staub noch Nebel. Im Schatten war es knochenbrechend kalt. Karidon schälte sich aus dem Mantel, richtete sich auf und sah sich fröstelnd um. Dürre Balsamsträucher zwängten die Wurzeln in Felsritzen. Sie wirkten wie eine Verhöhnung allen Grüns. Bisher war der breite Pfad zwischen Steinen, Felsen und Bergrissen verlaufen und allen Schwierigkeiten ausgewichen. Nun gabelte er sich, und der beschwerliche Teil des Vorstoßes begann. Herashtkeru, der die letzte Wache gehabt hatte, schichtete gähnend dorniges Holz über der Glut zu einem Kegel. Die Esel standen wie Gestalten aus Schiefer. Ein großohriger Fuchs sprang vom Rand des Wasserlochs zwischen doppelt kopfgroße Kiesel, als Karidon aufstand und seine Schulter massierte.
    »Man beobachtet uns, Herr.« Herashtkeru deutete auf ein Sperberpärchen, das im Sonnenlicht, hoch über den Felshängen, unsichtbare Beute jagte. Karidon grinste matt; ihm fielen Teile einer endlosen Folge obszöner Sperber-Verse ein, die er in einer Schenke von Pi-Osiri gehört hatte. Er murmelte einen Fluch.
    »Besser Sperber als Irtjet-Bogenschützen. Nach zwei Nächten kehren wir um, Herasht.«
    Karidon sah zu, wie zwei Skorpione hintereinander zwischen die Steine raschelten und verschwanden. Eile oder harte Arbeit waren nicht nur sinnlos; sie würden, zusammen mit Hitze und Trockenheit, Männer und Tiere umbringen. Noch bevor die Obergrenze der Schatten das Tal erreicht hatte, summte frisches Wasser im Kupferkessel. Die Schläfer krochen gähnend zwischen den Falten der Mäntel in die Kälte hinaus, schüttelten sich und gingen maulfaul an die Arbeit. Karidons Blicke glitten zu den schwarzen Kanten der Felsen vor dem leuchtenden Blau. Er suchte jede Handbreit der Umgebung ab, seine Finger zupften an der Bogensehne. Bisher hatten weder die Späher noch Karidon und Herashtkeru Spuren von Nomaden gefunden. Auch in diesem Teil der gewundenen Schlucht, die Karidon an den Marsch durch das Tal Rohani erinnerte, gab es nur Hinterlassenschaften der Nehesi; älter als zwei Jahrzehnte und ohne jegliche Bedeutung.
    Ruhig kreiste das Sperberpärchen; manchmal rüttelten die Vögel über dem Ende des Geländeeinschnittes. Karidon rollte Decken und Mantel zusammen, schnürte das Beil längs über die Rolle und ging zum Feuer.
    »Männer des Goldhorus.« Er blickte in verschlafene, bartstoppelige Gesichter und hohle Augen. »In einem Zehntag sind wir wieder bei den Schiffen. Wir müssen in Itch-Taui berichten. Wir wissen, dass hier nichts und niemand lebt und arbeitet – Chakaura würde wollen, dass wir ihm zeigen, wie das Land aussieht, aus dem Auge des Falken, oder meinethalben Sperbers. Unmöglich für uns. Aber wenn er eines Tages gegen die Nehesi zieht und tausend Gefangene macht, müssen seine Schreiber wissen, wie schnell die Bergwerke wieder Gold liefern, und was man dazu braucht. Wir werden also bis ans Ende dieser steinernen Zumutung gehen, bis wir alles wissen. Ich hasse es, vor dem Morgentrunk lange Reden zu halten – trinkt, esst und prügelt die Esel, bevor uns die Sonne wieder schindet.«
    »So halten wir es, Neb Karidon«, sagte ein Soldat, der Wasser, Salz, Mehl und Schrot in einem Kessel verrührte. »Du bist ein guter Anführer. Manchmal fragt sich unsereiner, was wir eigentlich im elenden Kush und im versengten Wawat zu schaffen haben.«
    Karidon hob die Hand.
    »Ich werde es, so gut ich's kann, heut beim Lagerfeuer erzählen. Menschen, Gold und Länder sind mitunter Figürchen auf einem Spielbrett, das größer als unser Verstehen ist. Es ist wie auf dem Großen Grünen ... aber das ist eine andere Geschichte. Macht weiter; der Tag wird wieder heiß wie schmelzende Bronze.« Er grinste, deutete zum Himmel und blickte in die Gesichter der Soldaten. »Der Sperber macht's schon sehr geschickt, wie er im Flug das Sandhuhn fickt.« Die Männer starrten ihn verständnislos an; nur wenige lachten.

    An zahlreichen Stellen waren Höhlen, Stollen und Eingänge in den Fels getrieben worden, umfangreicher als die schwarzen Röhren, die Karidon aus seiner Jugend kannte. Löcher im Fels, der an einigen Stellen golden glänzte, als habe man

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