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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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jenseits der Stromschnelle.«
    »Wo soll ich anfangen?«
    »Ganz am Anfang. Nur wer alles weiß, kann richtig handeln. Es gibt kein überflüssiges Wissen«, brummte Karidon. Tausret-Ameni räusperte sich und drehte den Becher unschlüssig in den Fingern.
    Während sie einfach, aber gut speisten und dunkles Bier tranken, berichtete Tausret aus der Zeit des ersten Chakaura-Senwosret und des zweiten Amenemhet. Um das Vordringen der Nomaden zu verhindern, gleichzeitig aber den Tauschhandel und die ungehinderte Benutzung der Handelsstraße sicherzustellen, war der Bau von mindestens zehn Festungen beschlossen und teilweise begonnen worden. Mangel an Arbeitern, unwillige Baumeister, schlechte Versorgung mit Nahrung und Werkzeug und andauernde Überfälle räuberischer Nehesi zwangen die Rômet in den folgenden Jahrzehnten – der zweite Amenemhet hatte vor weniger als hundert Jahren den Thron bestiegen –, hapiabwärts zurückzuweichen. Welche Festungen samt fruchtbarem Gebiet im Schutz ihrer Mauern dieses Schwinden von Palmenhainen, Feldern, Kanälen und Menschen überlebt hatten, wussten die Männer und Karidon selbst. Die abtrünnigen Gaufürsten zogen die Arbeiter ab, kümmerten sich nicht mehr um die Versorgung der Übriggebliebenen, und schließlich bildeten eine Handvoll Festungen Inseln in der sandigen Einöde. Tausret seufzte und kreuzte die Arme über der Brust.
    »Ihr werdet es so oder ähnlich in den anderen Festungen, bis nach Iken, gehört haben.« Er nickte; Mlaisso und Karidon sahen in sein bekümmertes Gesicht. »Ich sage euch: zweitausend gute Soldaten, ein paar hundert Heri-Udjeb-Aufseher, Schreiber und Baumeister, und nur zehntausend Sklaven, oder fünftausend, die Kanäle bauen und Felder bestellen – und die Straße ist für alle Zeiten sicher. Wir schuften ununterbrochen. Es ist hart. Jeder sehnt sich nach dem Wohlleben am Unterlauf. Wir befolgen noch immer die Befehle des Vaters unseres Goldhorus; denn wo die Macht der Rômet fehlt, in diesen freien Räumen, wächst schnell die Macht von Nehesi-Häuptlingen, fremden Verrätern, der Sand weht alles zu. Rudert hinauf zu den Ruinen und seht, was Zeit und Erbärmlichkeit daraus gemacht haben. Schlangen, Skorpione und Wüstenratten wohnen dort. Und ein paar arme Nehesi.«
    Seine Hand zitterte. Bierschaum tropfte aus dem Becher.
    »Schreib's dem Goldhorus, Karidon! Zehnmal tausend Menschen, und Gold – und alles andere – wird so reichlich sein, dass Esel zusammenbrechen und Schiffskiele die Sandbänke kratzen!«
    »Jedes Wort schreib ich. Wie oft hast du dem Goldhorus Botschaften geschickt?«
    »Dutzende Male. Es gab nie eine Antwort. Kein Bote kam jemals zurück.«
    Mlaisso und Ptah-Netjerimaat wechselten schweigende Blicke. In ihren Gesichtern, auch in den Zügen Tausret-Amenis, las Karidon Ratlosigkeit und Enttäuschung. Ptah beugte sich vor. Die Enden des weißen Kopftuchs flatterten.
    »Du weißt, Karidon, was das bedeuten kann?«
    »Es gelingt den Gaufürsten, Boten abzufangen und Briefe zu vernichten.« Karidon zeigte mit der Gänsekeule auf Tenthape. Der Anführer schwieg und legte die Hand auf den Dolchgriff. »Fängt nicht der Fürst im Horus-Erhebungs-Gau den Boten, dann wird der Paddler im Doppelfeder-Gau angehalten. Oder er ist vorher in die Hände der Nehesi gefallen.«
    Tausret-Ameni stützte die Ellbogen auf die Tischkante und wartete, bis eine junge Dienerin seinen Becher gefüllt hatte. Sein schmales Gesicht zeigte im Licht der Öllampen scharfe Kerben der Bitternis.
    »Die Festungen sind wie Inseln im Strom. Wir sind hier am sandigen Rand der Welt, wo keine Schiffe mehr fahren können und das Auge hilflos über die Trostlosigkeit gleitet. Es ist hart für uns alle, das zu hören. Ihr habt von Ikhernofret erzählt, von den jungen Männern wie dem Feldherrn Sokar-Nachtmin, den ich nicht kenne. Die Götter mögen Goldhorus Chakaura ein langes Leben schenken und mehr Männer wie euch: dann sehe ich Sicherheit für den Handel, viel Gold und Kupfer aus den Bergwerken und eine sichere Grenze.«
    »Ich kann nur für uns sprechen«, sagte Ptah und zog die Brauen hoch. Der Schmuck auf seiner glattrasierten Brust klirrte, er streckte die Finger zur Decke aus und deutete dann in die Runde. »Für uns, jeden Ruderer und Eselstreiber. Und für die Männer des Bronzehändlerschiffes, selbstredend. Wartet ein paar Jahre. Dann ist Chakaura umgeben von jungen Männern, die seine göttlichen Befehle achten und all das tun, was getan werden soll. Ist

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