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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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und Nächte. Beim Horus!«
    »Wir werden auch den Sandsturm überleben, Freund Rahotet«, murmelte Karidon. »Viel schlimmer wird es Mlaisso und Ptahs Männer treffen. Hoffentlich sind sie bald zurück – dann geht es für alle nach Ta-Seti, flussab.«
    »Ja. Beim Stromgott. Gehen wir zu den anderen und bringen ihnen die Sturmnachricht.«
    Sie rutschten und sprangen hinunter. Karidon rief:
    »Unsere Ausrüstung in die Höhlen! Sandsturm! Holt mehr Wasser, vielleicht dauert er lange. Sagt es den anderen!« Er schüttelte seine Hand und zeigte nach Westen. »Ich glaube, dass der Sturm um Mittnacht hier ist.«
    Im Sand wurden Schlafgruben ausgehoben. Schilde und Waffen stapelten sich im Fackellicht an den Wänden, neben wassergefüllten Krügen. Über drei Feuern hingen Kessel für den Kräuteraufguss. Karidon rannte hin und her und sah, wie die Nomaden zwei Hütten abtrugen und daraus eine größere machten, in der sich Kinder und Ziegen zusammendrängten. Der nächste Windstoß brach sich an der Westmauer und trieb feinen Staub über das lärmerfüllte Viereck. Karidon hastete zur Ostmauer und brüllte Befehle zu den Soldaten hinunter, die im Fackelschein bis zu den Schultern im Hapi badeten. Widerwillig kamen sie aus dem Wasser und zogen die Fackeln aus dem Boden. Feuchte Tücher flatterten im Wind. Die Sandwolke erreichte den weißen Mond und schob sich vor ihn und die flackernden Sterne.
    Zwei Stunden vor Mitternacht hatte die mächtige Wolke alles Licht verschlungen. Sand erstickte die Glut und ließ die Fackeln wie rötliche Kugeln schwacher Helligkeit erscheinen. Die Späher drängten sich in den Höhlen zusammen, einige Ziegen flüchteten in die halbdunklen Löcher, schließlich krochen die Nomaden nacheinander hustend und halbblind durch die Staubflut. Die Männer tauchten Tücher ins Wasser und hängten sie sich über die Köpfe; das Atmen wurde zur Qual, die Augen brannten und tränten. Zuerst ließ der Sturm die Luft brummen, später gurgelte und heulte er, gegen Morgen pfiff und kreischte er unerträglich laut. Auch am Mittag konnte man gerade noch die Finger am ausgestreckten Arm erkennen. In den Höhlen stank es unerträglich, die Soldaten taumelten und stolperten bis zu dem säulenartigen Vorsprung, stemmten sich gegen den Sturm, der die Haut mit scharfen Sandkörnern aufriss. Dort schlugen sie stöhnend ihr Wasser ab. Die Schwangere wimmerte und schrie. Karidon lag in einem Winkel, das Gesicht unter dem feuchten Tuch, das sich rot gefärbt hatte; er trank ab und zu einen Schluck säuerlichen Kräuteraufguss, fühlte Sandkörner zwischen den Zähnen, in der Nase, im Haar und in den Ohren. Er versuchte, mit geschlossenen Augen und eingelullt von der Flut barbarischer Laute seine Gedanken in eine erkennbare Ordnung zu bringen. Aber erst als er, eine Nacht, einen qualvollen Tag und eine halbe Nacht darauf, von der Stille geweckt, ins Freie hinaustaumelte, die Sterne und den Mond am schwarzen Himmel sah, würgend ausspuckte und die Umgebung nicht mehr wiedererkannte, waren die Muster klar zu erkennen:
    Mehr als die Hälfte der Gaufürsten bangte um ihre kleinen Reiche. Die Handelswege waren unsicher oder zu tödlichen Fallen für die Händler geworden. Kupferbergwerke und Goldbergwerke im Hapiland, bei den Retenu und hier in Wawat lieferten kein Metall. Der Hapi wurde zum gefährlichen Fahrwasser; der Kanal vom Dreieck ins Lange Meer war in der Hand einiger Gaufürsten. Hinter dem Bild gab es andere Bilder; geheime Botschaften der Priester, fremde Wanderer, die Nomadenkrieger aufhetzten, fremde Gedanken und merkwürdige Versprechen; an den Schnittlinien zwischen den Sprachen fremder Länder, zwischen unbegreifbaren Göttern und dem begreifbaren Handeln der Menschen stand der Versuch, durch zuverlässige Fremde zu erfahren, was jenseits der Gaugrenzen vorging.
    Am Anfang einer neuen Zeit, die nur wenige Menschen als Änderung begriffen, lastete die Einsamkeit auf dem jungen Goldhorus, der nicht Karidons Freund sein durfte: der Webstuhl seiner Gedanken fügte Querfaden zu Längsfaden, schuf verworrene Muster einer Verschwörung, die sich weniger gegen die Person als gegen die geballte Macht in Itch-Taui richtete. Welche Rolle spielten darin die Priester? Gab es Verräter in Sokar-Nachtmins Truppen? Wie viel dürres Holz musste Chakaura auf seinem Weg zertreten, wie viele Lotosblüten würden verdorren? Was im Palast geschah, wusste niemand; die Männer an der Südgrenze waren ohne jede zuverlässige

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