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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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man in kleinen Dingen nicht geduldig, können große Vorhaben scheitern. Grünauge Karidons Liste der Aufgaben ist lang; was er schreibt, ist knapp, richtig und ohne entstellende Höflichkeit. Der Goldhorus selbst redet von einer anderen Zeit, wir sprechen von aufregenden Jahren, selbst Nefer-Herenptah von Ta-Seti ergeht sich in Lobpreisungen der nahen Zukunft.«
    »Wir reden nicht viel.« Tenthape lachte rau. »Wir handeln und lobpreisen, wenn wir überlebt haben, den Tag.«
    »Und wir lobpreisen morgen die Gastfreundschaft dieser Nacht«, sagte Karidon. »Hilf uns, Tausret-Ameni, Boote und Krieger auszurüsten. Wir rudern und gehen bis zu den aufgegebenen Festungen und sehen zu, dass wir vor dem Anfang des neuen Jahres in Ta-Seti und Itch-Taui beim Goldhorus berichten können.«
    »Deine Bitte; sie ist überflüssig. Ich tu für euch und den Goldhorus alles, was wir leisten können. Mit Tenthape haben meine Verwalter gesprochen. Einen Siebentag faule Erholung für die Männer? Und auch für die anspruchslosen Grautiere, nebenbei.«
    »Ein Siebentag wird genügen.« Mlaisso sah Karidon von der Seite an und lachte kehlig. »Hast du dir Kush und Wawat so vorgestellt?«
    »Nicht so unendlich öde.« Karidon schüttelte langsam den Kopf. Er wusste, dass sein Gesicht auf die Freunde ernst und verschlossen wirkte. »Nicht so groß, so leer, und nicht so furchtbar heiß und trocken.«

10. Die Ruinen von Wawat

    Die Mondsichel in der Farbe schmutzigen Elfenbeins glänzte wie das Horn eines nassen Stieres. Die Landschaft, zusammengesetzt aus den gewohnten Teilen wie seit dem Aufbruch von Ta-Seti, erschien gleich und doch anders; wie schartige Zähne verschwanden die Lehmziegelmauern, vom Sandsturm benagt, im gebrochenen Licht des Sonnenunterganges. Nur Tamarisken und Akazien hatten überlebt, die wenigen Palmen entlang der Ufer fanden keine Feuchtigkeit mehr. Der Hapi, ein Rinnsal von hundert Ellen Breite, zeigte im steinharten Schlamm die Muster zerbrochener Tonkrüge. Der Tagespflock im Heck von Karidons Boot steckte im achtundzwanzigsten Loch des Payni.
    Das Nachtlager war schnell aufgeschlagen. Zwei Drittel der Soldaten waren mit Tenthape und Ptah von den Ufern ins Land vorgestoßen und wurden in einem Zehntag bei den Ruinen zurückerwartet. Tausret-Amenis Späher verteilten sich im weiten Halbkreis. Die Nacht, kälter als jede andere bisher, verging ohne Zwischenfälle. Im ersten Sonnenlicht zogen die Männer die Segel auf und ruderten bis zur seeartigen Erweiterung des Hapi unterhalb der Granitbarrieren.
    Die Boote lagen nebeneinander; die Riemen wurden eingezogen. Karidon kletterte auf einen rissigen Granitbuckel, hob den Arm und rief: »Niemand will gern zu viel schuften. Ich auch nicht. Wir können die Boote hochziehen oder zu Fuß zu den Ruinen wandern. Ein langer Tagesmarsch. Ich bin dafür, dass wir morgen Nacht hierher zurückkehren. Zusammen, vielleicht, mit Amenis Spähern. Einverstanden?«
    »Einverstanden, Neb Karidon!« Die Antworten kamen aus allen Booten. Karidon nickte und zeigte zum Ufer.
    »Alles ausladen, was wir morgen brauchen. Du stellst wieder Wachen auf, Chonsu?«
    »Wie jede Nacht, Neb Karidon.«
    Karidon lächelte; sie nannten ihn freiwillig »Herr«, also besaß er ihr Vertrauen. Er richtete sein Nachtlager im Bootsheck ein, hängte den schwarzen Nehesibogen und den Schilfköcher neben Schild und Doppelaxt und versuchte, beim Licht von zwei Öllampen seine Beobachtungen aufzuschreiben. Am Ende der kurzen Dämmerung sah er über das Land: der Blick ging ungehindert bis zum Ende der Wüstenei. Er verstand, warum die Rômet glaubten, hier hausten die Frosttiere und Hitzetiere, und warum man die Nehesi »die von den Horizonten« nannte. Er schauderte, zog den Mantel höher und wünschte, er wäre auf Kefti oder in Itch-Taui bei Prinzessin Tama-Hathor-Merit.

    Zwischen brüchigen Mauern und dort, wo die Sandverwehungen kargen Platz gelassen hatten, wuchs kümmerliches Grün. Als Karidon einige Schritte hinter den Spähern stehenblieb, roch er den Rauch des Nomadenfeuers. Auf dem Stumpf eines Turmfundaments saß ein schmächtiges, dunkelhäutiges Mädchen und starrte die Näherkommenden an, den Zeigefinger zwischen den Zähnen. Die Schatten auf den löchrigen Flächen zeigten das Geviert in seiner bedrohlichen Verlassenheit. Der Späher senkte den Schild, lachte zum Kind hinüber und sagte leise:
    »Wir können ihre Sprache sprechen, Neb. Es sind arme Leute, um jeden Bissen Brot dankbar.«
    »Geh'n

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