Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner
mehrfach den Rücken kehrt. Zunächst als Buchhändler, um als Geschäftsführer des Leipziger Großhändlers Weidmann zu fungieren. Dann als Rädelsführer jener Gruppe deutscher Verleger, die der Frankfurter Messe endgültig den Besuch aufkündigt und Leipzig auf Jahrhunderte zum Zentrum des Buchhandels macht. Zudem wacht Reich über den Leipziger Messkatalog. Jeder, der im Verzeichnis Aufnahme finden will, tut gut daran, mit ihm nicht über Kreuz zu kommen. Und Gründe dafür liefert Reich zur Genüge. Wagner kann nur staunen über den Mann, der mit Geschick und ausgefahrenen Ellenbogen den Nettohandel als Geschäftsprinzip durchsetzt. Wer Waren bei Reich beziehen will, hat sie fortan bar zu bezahlen, ohne Rückgaberecht und mit geringem Rabatt.
Ein Aufschrei geht durch die Branche, sie spaltet sich. Norddeutschen Nettobuchhändlern stehen Reichsbuchhändler aus Süddeutschland, Österreich und der Schweiz gegenüber. Ein Konflikt, der viele Jahre andauern wird. Danach ist der Buchhandel ein anderer.
Wagner sieht, mittlerweile hat sein Enkel Michael Anton die Firma übernommen. Und für den werden Messereisen unter den neuen Voraussetzungen zum unerschwinglichen Unterfangen. Allein die Transportkosten, die Reisespesen sowie die Miete der Gewölbe und Lagerräume verschlingt eine größere Summe, als sie der Reich’sche Rabatt wieder hereinbringen kann. Sei’s drum, für das Unternehmen zählt ohnehin vorwiegend der regionale Markt. Den versorgt Michael Anton mit zahlreichen Andachtsbüchern und Volksschauspielen. Auch der Handel mit italienischen und französischen Büchern setzt ein.
Wieder große Hochzeit in Innsbruck. Maria Theresias Sohn Leopold heiratet Maria Ludovica, eine Tochter des Königs von Spanien. Michael Anton macht sich anlässlich der Vermählung an die Herausgabe der ersten Innsbrucker Zeitung. Wagner jubelt, ein Traum geht in Erfüllung. Schon im neunten Jahr seines Innsbrucker Aufenthalts hat er beim Landesfürsten um das Privileg angesucht, die
Augsburger Ordinari-Zeitung
nachdrucken zu dürfen, und trotz Erlaubnis darauf verzichtet. Er hätte jedes Exemplar dem Hofkanzler zur Zensur vorzulegen. Das war Wagner den Aufwand nicht wert. Auch war Tirol mit Augsburger Zeitungen gut versorgt, der Absatzmarkt klein, da bedurfte es keiner –
Innsbrucker Ordinari-Zeitung
. Zweimal wöchentlich erscheint sie. Im Umfang von vier Seiten bringt sie Hofmitteilungen aus den europäischen Hauptstädten. Schon eine der ersten Ausgaben enthält die traurige Nachricht vom Ableben Franz Stephans. Mit seiner Gemahlin Maria Theresia hat er der Hochzeit Leopolds beigewohnt, wenige Tage später stirbt er in Innsbruck.
Freude hat Wagner hingegen an seinem Enkel. Gut, er ist Bürgermeister der Stadt, aber das will nichts heißen. Interessanter findet Wagner, dass Michael Anton der Erste aus der Familie ist, der sich dezidiert Buchhändler nennt, im Jahr 1722. Ein Jahr später wird ihm der Titel des Universitäts-Buchdruckers verliehen. Dementsprechend richtet er seinen Lebensstil aus. Etwas zu großspurig, meint Wagner. Was machen Michael Antons Geschwister? Eines der drei „Khinderlen“ mit den Früchten in Händen, Johann Michael, findet Wagner bei den Franziskanern in Schwaz. Zieht er das Mönchsleben dem lauten Zeitgeist vor? Möglich ist’s. Gedankenverloren blättert Wagner in der
Innsbrucker Ordinari-Zeitung
. Was die Menschen nicht alles zum Verkauf anbieten: Zähne, Affen – und einen französisch sprechenden Papagei!
Emsig hat man den Besuch Maria Theresias vorbereitet. Michael Anton setzte alle Hebel in Bewegung, die Stadt auf Hochglanz zu bringen. Die Stadtmauer wurde geschliffen, den Stadtgraben schüttete man zu. Eine gute Idee, den Geruch der Kloake hat Wagner noch in der Nase. Leid ist ihm um die Stadttore, deren Anblick er immer herbeigesehnt hatte, wenn er von seinen Marktfahrten zurückgekommen war. An das Neue muss er sich erst gewöhnen. Sein Enkel ist Oberhaupt einer Stadt, die sich sehr verändert hat.
Was im Weg steht, wird weggerissen. In der Neustadt, die Wagner als Handwerkerviertel mit einigen Bürgerhäusern in Erinnerung hat, reiht sich ein Adelspalast an den nächsten. Die Spaur, Lodron und Wolkenstein, die Künigl und Trapp haben sich hier niedergelassen. Leicht könnte Michael Anton ein ähnliches Palais erwerben, gedächten die feinen Herren, ihre Schulden zu begleichen. Mit über 15.000 Gulden steht die Regierung bei der Offizin in der Kreide. Hat sie vor, die Summe
Weitere Kostenlose Bücher