Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner
Göttl. Seegen und himmlische Gnad darfür.“
Freudentränen stehen Wagner in den Augen. Er ist Großvater geworden.
Es wird zur Messe geläutet, Jakob Christoph macht sich mit seiner Frau und den Kindern auf den Weg in die Kirche. Wagner nützt die Gelegenheit, der Offizin einen Besuch abzustatten. Kaum hat er das Haus durch das breite Rundbogenportal betreten, steigt ihm ein Geruch in die Nase, den er von Jugend an liebt. Das Metall der Lettern, die Farbe, das gewässerte Papier verströmen einen Duft, an dem sich Wagner nicht sattriechen kann.
Größer ist die neue Arbeitsstätte, das Erdgeschoß zweischiffig, ein wuchtiger Rundpfeiler stützt das Tonnengewölbe. Das Licht jedoch so spärlich wie in der einstigen Druckerei. Dessen ungeachtet erkennt er sofort seine alte Presse wieder, desgleichen sein Setzregal. Langsam nähert er sich dem pultartigen Gestell, zieht einen Kasten aus dem Bord, stellt ihn auf Brusthöhe ab. So hat er immer gearbeitet, wie gerne würde er – Schon hält Wagner den Winkelhaken in der Linken, greift mit der rechten Hand die Typen aus den Fächern, ein O, ein E, ein N und ein I, bis Innsbruck entsteht, Oenipontum.
Eine neue Tertia hat sich sein Sohn zugelegt. Will er Bibeln drucken? Schön reiht er die Lettern nach Größe, Sabon, Kanon, Doppelcicero, Text, Tertia, Mittel, Cicero, Garmond – Woran arbeitet er gerade? Wagner sieht einen zum Trocknen aufgehängten Bogen, entziffert
Fasciculus duodecim millium sententiarum
. Ein Buch alphabethisch geordneter Lebensweisheiten ist im Entstehen, wie er dem Papierstoß neben dem Manuskripthalter entnimmt. An die tausend Seiten wird das Werk wohl irgendwann umfassen, ermisst Wagner.
Hinauf ins Obergeschoß, kurz in die Küche, Geschirr aus Zinn, Messing, Kupfer, alle Achtung! Weiter in die Wohnstube, die Dielen knarren unter Wagners Schritten, vorsichtig setzt er einen Fuß vor den anderen. Sein erster Blick gilt dem Erker, das Wappen leuchtet ihm entgegen. Gut gelaunt tritt er ans Fenster, schräg gegenüber das Haus, in dem Cesti einst wohnte. Die Ausstattung der Stube, ganz der Vater! Bilder schmücken die Wände, schwarz eingefasst Jakob Christoph und seine erste Frau, in goldenem Rahmen der Enkel Michael Anton. Und wer sind die drei „Khinderlen“ mit den Früchten in Händen? Die Mittlere muss Maria Elisabeth sein, der Knabe ist vermutlich Johann Michael, und die Kleine, ist’s Anna Christina? Ein Gemälde mit zwei weiteren Enkeln, auf einem Sessel thronen sie, in dem schon – Wagner wirbelt herum, dort im Eck steht der Stuhl. Darüber ein Bild, es zeigt unverkennbar ihn! Daneben ein Portrait der Barbischin und – Er kann es kaum fassen, „ain Khindts Contrafee“, er selbst hatte es in Auftrag gegeben, Jakob Christoph im „weissn Klaidl“.
Im hinteren „Stibele“ findet Wagner weitere Bemal- und Altarzierden, Darstellungen der Gottesmutter und der Heiligen Familie, Ecce Homo-Bilder. Doch es drängt ihn zurück vor sein Konterfei. Er im Dreiviertelprofil, das Kinn spitz zulaufend, der Hals etwas zu wulstig, aber die Lippen gut getroffen, schmal. Unmerklich treten die Backenknochen hervor, auf der Nase ein kleiner Höcker, der rechte Flügel im Schatten, ebenso die Wange. Rosig die Haut, die Brauen buschig, leicht ergraut wie das Haar, es fällt ihm auf die Schultern herab. Graublaue Augen wie der Vater, die Ohren hingegen eher nach der Mutter.
Von seinen Eltern hat Wagner nur Bilder im Kopf, die allmählich verblassen. Und manchmal weiß er nicht mehr, ob es erinnerte Gesichtszüge sind oder – Besser eine Vorstellung als gar kein Bild, denkt er. Die Kirchenglocken läuten, jetzt nichts wie weg. Erst beim Verlassen der Wohnung erblickt Wagner auf der Schranktruhe eine Reihe von Büchern. Ein Großteil davon wird seinem Sohn gehören, denn –
Lesen ist vorwiegend Männerdomäne. Als Jakob Christophs erste Frau stirbt, finden sich in ihrem Nachlass eine Handvoll Bücher – ein Psalter,
Der Quellprunnen
, das
Mayen Gärttl
, ein
Getrauten Puech
, die
Winter Rosen
. Wagner sieht die Werke aufgelistet unter „Silbergschmeid und Frauenzierden“. Auch bei Jakob Christophs Tochter Maria Elisabeth, die ganz zur Freude ihres Großvaters einen berühmten Stuck- und Glockengießer heiratet, sind Bücher Mangelware. Ein mit Silber beschlagenes Gebetbuch erkennt Wagner, er schätzt seinen Wert auf zwei Gulden. Dafür muss ein Handwerksgeselle gut eine Woche und mehr als dreizehn Stunden täglich schuften.
Doch das Publikum
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