Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner
hält Einzug mit Büchern von Hermann Hesse und Hedwig Courths-Mahler sowie Romanen von Thomas und Heinrich Mann.
Die
Innsbrucker Nachrichten
erhalten ein Schwesterblatt, die
Neueste Zeitung
. Sie erscheint fortan als Abendausgabe. Wie ein Fortsetzungsroman sind die Zeitungen geschrieben, ergänzen sich, zitieren einander. Inhaltliches überblättert Wagner, erkennt aber, die Redaktion hält am eingeschlagenen Weg fest, gibt sich deutschnational und anschlussfreudig. Die Sozialdemokraten sind ihr jüdische Handlanger, die Christlichsozialen und die Bauernpartei werden als zu klerikal und deutschfeindlich kritisiert. Kurz stockt ihm der Atem, als er im April 1927 vom Tod Eckart von Schumachers liest: „Ein Ehrenmann vom Scheitel bis zur Sohle war er, ein aufrechter Tiroler und Deutscher, der an Heimat und Volk mit ganzem Herzen hing.“
Die Buchhandlung geht an Schumachers Frau Margarethe über. Sie ist die Tochter eines Innsbrucker Bankiers. In Sachen Heiratspolitik war der Urenkel des Bürgermeisters von 1809 nach Wagners Geschmack. Dass er die Druckerei verkauft hat, entpuppt sich auch als Vorteil. Denn Buchroithner gestaltet die Offizin zu einem modernen Großbetrieb aus. Eine starke Exporttätigkeit nach Frankreich, England und Holland setzt ein.
Begeistert ist Wagner vom Plakatdruck, den Buchroithner durch ein neues grafisches Atelier fördert. Die Arbeiten, die daraus hervorgehen, sorgen für internationales Aufsehen. Prachensky, Berann und andere Künstler tragen den Namen Wagner in alle Welt hinaus.
Allerdings verschlingt die Modernisierung Unsummen. Buchroithner muss die Verlagsrechte abtreten. Die Kinderfreund-Anstalt entsteht, aus ihr geht der Universitätsverlag Wagner hervor.
Drei Firmen, ein Name. Wer hätte das gedacht. Wagner hält unversehens den Freibrief aus dem Jahr 1639 in Händen.
Verleger, lange kann Wagner mit dem Wort nichts anfangen. Er hat das Druckerhandwerk erlernt, die Buchführerei lief parallel dazu. Sein Großvater hatte noch die Fugger als Verleger bezeichnet – für Stoffe und Eisenerz und jede Menge Geld. Um Geschriebenes kümmerten sie sich kaum.
In seiner Lehrzeit dominierten Druckerherren den Markt. Aber er begegnete auch schon ersten Vertretern einer Zunft, die seinesgleichen, Autoren und Buchführer schuften lassen und ihre Hände in den Schoß legen, Verleger eben. Auf den reinen Sortimenter traf Wagner erst in der Zeit seines Enkels, kein Wunder also, dass sich Anton Michael Buchhändler nannte. Und plötzlich läuft es andersherum, üben die Buchhändler das Druckerhandwerk nebenbei aus. Das fügt sich ins Bild, findet Wagner, wenn er sich die Qualität der Drucke seines Enkels –
König Midas ist er keiner. Es mangelt Wagner nicht an Selbsteinschätzung. Vieles von dem, was seine Offizin verließ, war reine Auftragsarbeit, lieblos angefertigt mitunter. Hässlich die Schriftmischungen, zusammengestoppelt der Satz. An manches Titelblatt darf er gar nicht erst denken, völlig überladen, ungegliedert, schauderhaft. Dabei war er gewiss einer der besseren seiner Zunft. Was überschwemmte nicht alles den Buchmarkt in jenen Tagen. Geschasste Gelehrte, verkrachte Existenzen, Studienabbrecher und aus der Gunst gefallene Hofbeamte. Einen Setzkasten schufen sie sich an, eine Druckerpresse, und los ging’s. Das Ausbleiben von Aufträgen ließ sie zu den Griffeln greifen, Übersetzungen fertigten sie an. Gerne französische Stoffe, möglichst pikant, galante Romane waren rasch arrangiert. Eine Autorengeneration wuchs da heran – ach was, vorbei, Wagner schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, warum sich noch ärgern.
Nun also auch Verleger und damit absolut im Trend der Zeit. Erst nach dem Untergang der Monarchie gibt es in Österreich immer mehr reine Verlage.
Endlich sagt die Provinz der Wiener Konkurrenz den Kampf an. Dem neu gegründeten „Verband der alpenländischen Buchhändlervereine Österreichs“ applaudiert Wagner frenetisch. Auch will man in Zukunft verstärkt auf die Werbung setzen. „Nimm und lies!“, lautet die vom Börsenverein ausgegebene Parole. Dass die Schaufenster als Werbefläche genützt werden sollen, erinnert Wagner an seine Kindheit. Sofort sieht er die Läden der Buchbinder vor sich und die vor den Türen angebrachten Anschläge.
Ende der 20er-Jahre veranstalten die österreichischen Buchhändler einen vorweihnachtlichen Schaufensterwettbewerb. Die Wagner’sche Buchhandlung nimmt ebenfalls teil, wähnt sich Wagner im Glück. Die
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