Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner
Wenter diese Auszeichnung zuteil, da ist er bereits zwei Jahre lang Mitglied der NSDAP. Im Juli 1937 schließlich sichtet Wagner
Mein Kampf
im Regal, das Werk darf nun auch offiziell verkauft werden.
Engelbert Buchroithner ist tot. Wagner kann es nicht fassen. Der Mann, auf den er so viel Hoffnung gesetzt hat, stirbt im Alter von 54 Jahren. Seine Söhne treten die Nachfolge an. Zwei Jahre werden sie an der Spitze des Unternehmens stehen, ehe –
SA marschiert. Sämtliche Betriebe der Tyrolia werden in der Nacht des 11. März 1938 besetzt. Ein kommissarischer Verwalter übernimmt die Leitung. Die Belegschaft wird von „missliebigen Elementen“ gesäubert. Im ehemaligen Tyrolia-Gebäude nimmt der „Deutsche Alpenverlag“ seine NS-Verlagsgeschäfte auf.
Vergrämt schaut Wagner nach seiner Offizin. Nichts passiert. Zerschlagen wird, was wider den Zeitgeist ist. Die Druckerei indes scheint nach Zufriedenheit der neuen Machthaber ausgerichtet zu sein. Sie ist geradezu prädestiniert – Schon liegt ein Angebot auf dem Tisch. Es kommt von der „Standarte GmbH“, einer Holdinggesellschaft des Eher Verlags in München. Der ist das Herzstück des NS-Presseapparats, Hitlers Schriften erscheinen dort. Die Gebrüder Buchroithner verweigern den Verkauf. Sie ernten dafür ein Lächeln. 400.000 Reichsmark und freies Geleit. Die Offerte werde nicht wiederholt. Die Buchroithner schlagen ein.
Die Wagner’sche Universitätsbuchdruckerei – Wagner mag nicht mehr hinsehen. Was ist der Freibrief jetzt noch wert? Sein Unternehmen wird zum NS-Gauverlag. Den hält zu einer Hälfte die „Standarte GmbH“, zur anderen der Gauleiter als Treuhänder der NSDAP.
Noch leichter haben es die Nationalsozialisten mit den
Innsbrucker Nachrichten
. Schon am 12. März jubelt das Blatt, „denn es wehen die Hakenkreuzfahnen siegreich in der Heimat des Führers Adolf Hitler“. Über Nacht erfolgt die Gleichschaltung der Redaktion, ein einziger Journalist wird „aus politischen Gründen“ entlassen. Dafür erblickt Wagner einen Redakteur, der im Ständestaat mehrfach inhaftiert und mit Berufsverbot belegt worden ist. Nun kehrt er als Leiter der Zeitung mit seinen in Berlin beim Deutschen Nachrichtenbüro gesammelten Erfahrungen nach Innsbruck zurück.
Die bisherigen Schriftleiter bleiben vorerst in ihrer Position. Bald jedoch liest Wagner im Impressum den Namen eines Hauptschriftleiters. Unter ihm wird der Ton zunehmend militärisch. Die Leitartikel ergehen sich in Beweihräucherung des Führers. Und redlich bemüht sich die Redaktion, den Bezieherkreis zu erweitern. Für das Werben von fünf neuen Abonnenten winkt ein Exemplar von
Mein Kampf
als Prämie. „Gebt dem Führer euer Ja“ wird bis zum Tag der Volksabstimmung zur meistgedruckten Parole aus der Wagner’schen Offizin.
Und die Innsbrucker Kaufleute finanzieren den Wahnsinn kräftig mit. Großflächige Annoncen buchen sie, werben für HJ- und BDM-Kleidung, für SA-Stiefel und Fahnenschmuck, Stoffe für SS-Uniformen treffen täglich neu ein. Da will das Landesmuseum nicht hintanstehen. Es nennt die drei ältesten Hakenkreuze Tirols sein Eigen, Wagner sieht sie in der Zeitung abgebildet, lesen mag er den Artikel nicht.
Anfang Juli 1938 werden die
Innsbrucker Nachrichten
offizielles Organ der NSDAP. Gleichzeitig erfolgt die Übernahme der Druckerei in die „Front der Parteipresse“. Gauleiter Hofer begrüßt dies heftig. Endlich erfülle sich der lange gehegte Wunsch aller heimischen Nationalsozialisten. Bereits in der ersten Ausgabe des Gaublatts findet Wagner Hofers Appell „an alle Nazis und Volksgenossen des Gaus.“ An sie richtet Hofer die dringende Aufforderung, „das Gaublatt als i h r Blatt in jeder Beziehung zu betrachten.“ Die
Innsbrucker Nachrichten
seien nunmehr „Werkzeug im Dienste unseres einzigen Führers“.
In den ersten Tagen nach der Machtübernahme kommt es zu wüsten Ausschreitungen. Systemgegner werden blutig geschlagen. Wagner erkennt Kunden der Leihbibliothek, die sich an den Prügelszenen beteiligen. Angestellte des Geschäfts weiden sich an den Szenen. Dabei gehörte der eine oder andere der Verdroschenen bis vor Kurzem noch zur Käuferschicht. Man informierte ihn über die kurrentesten Waren, geriet gemeinsam ins Schwärmen über das Kafka’sche Werk, über die Bücher der Vicki Baum, des Franz Werfel und der Hertha Pauli.
SA-Männer ziehen grölend durch die Museumstraße, die Wagner’sche ist nicht ihr Ziel. Die Buchhändler wissen, wen sie
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