Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner
Schumacherwitwe imponiert ihm, anpacken kann sie wie die Barbischin. Freilich, seine Frau hatte eher im Orchestergraben gewerkt, Margarethe von Schumacher steht am Dirigentenpult. Das vom Börsenverein zur Verfügung gestellte Plakat nimmt sie aber persönlich in Empfang: „Schafft Euch Glück durch gute Bücher!“ Die Affiche wird zu tausenden gleichzeitig in Städten, Bussen, Straßenbahnen und Zügen aufgeklebt. Die Schriftstellerverbände werden zur Mitarbeit gewonnen. Auf Kundgebungen und in Radiovorträgen hört Wagner Dichter wie Stefan Zweig für die Aktion werben. Sie wird zum Vorspiel für den ab 1929 jährlich stattfindenden „Tag des Buches“. Letzteren wandelt man vier Jahre später zu einer jeweils im November stattfindenden „Österreichischen Buchwoche“ um. Die kommt gerade zur rechten Zeit, denkt Wagner. Seit der nationalsozialistischen Machtergreifung in Deutschland spitzt sich die Lage im Buchhandel bedenklich zu.
Der Geschäftsverkehr mit Deutschland wird mittels „Warensperre“ unterbunden. Wagner ist entsetzt, eine Abkoppelung vom deutschen Markt ist unvorstellbar. Daneben versiegt durch die „1000-Mark-Sperre“ die wichtigste Devisenquelle. Wenige Gäste kommen ins Land, Fremdenführer und Panoramakarten werden zu Ladenhütern.
Nach Ausrufung des Ständestaates hat der Buchhandel geschlossen der Vaterländischen Front beizutreten. Sofort wird die Verbreitung sämtlicher reichsdeutscher Zeitungen und Zeitschriften untersagt. Verbotslisten kursieren. Nazistische Literatur ist unerwünscht. Doch ist der Buchhandel eine publikumsorientierte Branche, der Schleichhandel blüht. Immer wieder sieht Wagner, Bücher über die Theke gehen, mit denen man sich nicht erwischen lassen sollte.
Gleich hinter den reichsdeutschen Büchern rangieren auf den Verbotslisten jene, in denen Propagandamaterial für die Kommunisten und die Sozialdemokraten vermutet wird. Zudem machen sich die Ständestaatler zu Schirmherren der katholischen Kirche. Schon beobachtet Wagner, wie die Werke von Kurt Tucholsky, Bertolt Brecht, Egon Erwin Kisch und Oskar Maria Graf aus den Regalen seiner Buchhandlung entfernt werden.
Anlass zur Sorge gibt ihm auch sein Universitätsverlag. An dessen Spitze steht Günther von Grothe, ein Reichsdeutscher. Im November 1933 wird er wegen illegaler Betätigung für die Nationalsozialisten verhaftet. In seiner Wohnung findet man Papierböller, Arrest und Ausweisung drohen. Zwar wird er freigelassen, aber nur unter kräftiger Mithilfe der Universität. Würde der Verlag in andere Hände gelangen, könnten die Geschäfte nicht so weitergehen wie bisher, mokieren sich die Professoren. Von Grothe sei immer das günstigste Angebot gekommen. Im Universitätsverlag Wagner würden die Regesten der deutschen Kaiser und Könige erscheinen. Zudem die einzige historische Zeitschrift allgemeinen Inhalts, die Österreich besitze. Von der politischen Einstellung Grothes sei in universitären Kreisen natürlich nichts bekannt gewesen.
Rein kaufmännisch gesehen agiert der Konkurrent vorort ohnehin geschickter, befindet Wagner. Die Tyrolia spannt sich aus eigenen Stücken vor den Karren der Austrofaschisten. Aber Politik ist nicht das Seine. Gerne würde er sich anderen Dingen zuwenden, jedoch –
In der Abendausgabe der
Innsbrucker Nachrichten
liest Wagner, wie „ungemein eindrucksvoll sich die Verbrennung der Schriften und Bücher wider den deutschen Geist“ vollzogen habe. Das ist die Bankrotterklärung an seine Offizin. Sie richtet das Messer gegen das, was ihr die Daseinsberechtigung gibt. Blickt Wagner zurück auf die Jahrhunderte, entdeckt er selbsternannte Zensoren zur Genüge. Ob die nun Robespierre hießen oder Mitglieder des Göttinger Hainbunds waren, alle stellten sie „frisch, fromm, fröhlich, frei“ wie die Teilnehmer des Wartburgfests unter der Leitung ihres Turnervaters Jahn einen Scheiterhaufen auf. Stets hatte es Bücherverbrennungen gegeben, in diesem Ausmaß nie.
Wie reagieren die österreichischen Autoren, fragt sich Wagner. Die Antwort ist ernüchternd. Viele fühlen sich dem deutschen Ungeist verbunden. Das erkennt Dollfuß rasch und vereinnahmt sie für die austrofaschistische Idee. Im Sortiment der Buchhandlung findet Wagner Bücher von Josef Weingartner und Fanny Wibmer-Pedit, von Bruder Willram und vom Führer der jungkatholischen Literatur in Tirol, Joseph Georg Oberkofler. Und natürlich fehlen auch die Werke eines Grillparzerpreisträgers nicht. 1935 wird Josef
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