Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner
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Recht so, bei einem Dackel weiß man nie, was er in der nächsten Minute macht. Doch Wagner sieht, Schönwitz kommt nicht nur bei Frauen gut an, auch die Drucker mögen ihn. Kein übler Kerl scheint er ihnen zu sein, gemessen am Betriebsrat. In dem erblickt Wagner ausschließlich Innsbrucker, überzeugte Nationalsozialisten, die versuchen, ihre Karrieren mittels Verleumdungen anzukurbeln. Damit blitzen sie bei Schönwitz ab. Nicht dass es ihm an Gesinnung fehlen würde, man ist gut beraten, sich in seiner Gegenwart Kritik an der Partei zu verbeißen, aber er mag Denunzianten nicht. Dabei steht er einer Zeitung vor, die der Diskriminierung Tür und Tor öffnet. Ohne zu zögern, lässt er eine Räuberbande stolz ihre „Arisierungen“ verkünden. Und sein Hauptschriftleiter Ernst Kainrath reinigt wortreich die heimische Geschäftswelt vom jüdischen „Parasitentum“, droht den „Hebräern“ im November 1938 Sühnemaßnahmen an.
In der Buchhandlung wird
Mit Bomben und MGs über Polen
angepriesen. Passend dazu geben die
Innsbrucker Nachrichten
Siegesmeldungen zum Besten. Wahllos beginnt Wagner in den Bücherbeständen des NS-Verlags zu stöbern.
Grab eines attischen Mädchens
von Ernst Buschor, einer der einflussreichsten Archäologen seiner Zeit. Auch einer der 87 Schriftsteller, die das „Gelöbnis treuester Gefolgschaft“ für Adolf Hitler unterschrieben haben, ist im Programm. Da darf Alwin Seifert nicht fehlen, deutscher Gartenarchitekt, Hochschullehrer und glühender Nationalsozialist, mitverantwortlich für den „Kräutergarten“ im KZ Dachau. Und natürlich Karl Springenschmid, Innsbrucker und SS-Hauptsturmführer, Initiator der Bücherverbrennung auf dem Salzburger Residenzplatz. Dann ist da noch
Jager-Toni reist quer durch Europa. Ein heiteres Buch von unseren Gebirgsjägern
nennt sich das Werk im Untertitel. Es ist bei den Soldaten ein Renner und hätte der Wagner’schen Offizin einen noch größeren Erfolg beschert, wäre das Papier nicht knapp geworden.
Der Führer ruft, Schönwitz muss ins Feld. Schwer verwundet kehrt er aus Russland zurück. Eine Beinverletzung erspart ihm den weiteren Einsatz an der Front. Kaum ist er genesen, hat ihn die Innsbrucker Belegschaft wieder. In ungespielter Freude sieht Wagner sie gratulieren, ihr Fasan wurde befördert, SA-Oberführer ist er jetzt. Und seine Macht ist gewachsen, als Gleichschaltungsexperte genießt er das Vertrauen seines Vorgesetzen in der Reichspressekammer. Zusätzlich zum Gauverlag fällt die Abteilung Zeitschriften und Zeitungen in Bozen in sein Ressort. Permanent pendelt er zwischen Südtirol und Innsbruck.
Wagner kommt gegen die Erinnerung nicht an. Mit der Buckelkraxe war er damals – Aber während er die Offizin aufbaute und jeden stützenden Arm ergriff, fällt dem Oberführer alles in den Schoß. Immerhin, über seine Angestellten hält Schönwitz schützend die Hand. Trägt ihm ein Spitzel zu, eine der Sekretärinnen verweigere den Hitlergruß, weist er ihm die Tür. Die Anzeige gegen einen Drucker, dem ein Betriebsrat Wehrkraftzersetzung unterstellt, fegt er vom Tisch. Ihm sei ein aufrechter Tiroler lieber als ein Denunziant. Das ist eine der Floskeln, durch die er sich Freunde macht. Feinde, die ihm dadurch erwachsen, braucht er in seiner Position nicht zu fürchten.
Es geht ihm gut, dem Goldfasan, er entdeckt Rosinen, wo andere den Kuchen längst nicht mehr finden. Und er teilt, wartet Untergebenen mit kleinen Geschenken auf. Aus Südtirol bringt er Kaminwurzen mit, hebt mit so mancher Flasche Schnaps die Laune. Dass er im Vergleich zu anderen im Gauhaus zudem Fachverstand hat, goutieren die Drucker. Ihr Chef ist Verleger durch und durch, das muss auch Wagner zugegeben. Er erblickt Schönwitz im Maschinenraum, mit Faktoren im Gespräch. Natürlich hat er sie in der Hand. In diesen Tagen Drucker zu sein, ist ein Privileg. Zwar werden viele Arbeiter zur Wehrmacht eingezogen, doch die Pressen müssen rotieren, um der Kriegsmüdigkeit entgegenzuarbeiten. Der SA-Oberführer sorgt dafür. Penibel prüft er den Drucksatz, die Schrifttypen –
Judenlettern nennen sie die Schwabacher, die Krankheit der Nazis erfasst alle Lebensbereiche. Die Offizin stellt auf Nachtarbeit um. „Horch auf, Kamerad“, eine eigene HJ-Beilage, Wehrmachtbeilagen sowieso. Im Bestreben, die Zeitung unentbehrlich zu machen, startet die Aktion „Frühstückstisch“, das Gaublatt als Morgenausgabe.
Wagner begibt sich auf die Suche nach dem Dritten im
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