Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner
Bund, der seinen Namen trägt, den Universitätsverlag. Er findet ihn nicht. Allem Anschein nach ist er in die Kinderfreund-Anstalt übergegangen. Zumindest entdeckt Wagner dort einen der einstigen Direktoren.
Im Verlagsprogramm des NS-Gauverlags stößt er auf Reihen, bei denen der Gauleiter als Herausgeber fungiert. Ein Name begegnet Wagner immer wieder: Anton Bossi Fedrigotti. Der gilt mit Greinz, Oberkofler und Schönherr als einer der Tiroler Bestsellerautoren. Schon vor der Annexion ließ er die Tiroler für Deutschland stürmen. Sein bekanntestes Werk, der Kriegsroman
Standschütze Bruggler
, wird 1943 in 18. Auflage in 150.000 Exemplaren gedruckt. Zwar erscheint dieses Buch nicht im NS-Gauverlag, doch im Windschatten des Erfolgs lassen sich auch Fedrigottis in Innsbruck verlegte Werke gut verkaufen.
Die alte Fahne
, 1940 publiziert, erreicht als Feldpostausgabe bis 1944 fünf Auflagen. Auch die
Vormarschtage
finden zahlreiche Leser.
Längst hat der Rückmarsch begonnen.
Das Misstrauen unter den Angestellten ist groß. Man bespitzelt einander, jedes Wort wiegt. Seit Meldungen über Verluste an der Front durchsickern, ist die Stimmung gereizt. Bis 1941 folgte man dem Führer mit Hurra zum Tanz, heimlich wünscht man ihm nun die Beine abgehauen.
Eine neue Sekretärin erblickt Wagner, 1942 kommt sie in die Offizin. Angelika heißt sie, eine zierliche Person, attraktiv, mit bezauberndem Lächeln. Ihre Ausbildung erhielt sie bei der Heeresstandortverwaltung in Hall. Als die Nazis Polen überfielen, drohte ihr und den anderen Mädels die Abkommandierung. Eine der Kolleginnen Angelikas wurde ins „Generalgouvernement“ abgestellt. Das erste, was sie dort sah, waren an Bäumen aufgeknüpfte Menschen. Einem Nervenzusammenbruch nahe, bat sie um Versetzung. Angelika war gewarnt, alles, nur nicht Polen! Und sie hatte Glück, in einem Rüstungsbetrieb in Berlin fand sie Anstellung. Dass man in der Reichshauptstadt keinen Pfennig mehr auf Hitler setzt, verschweigt sie ihren Innsbrucker Mitarbeiterinnen lieber.
Angelika mag den Schönwitz. Ein vertrauenswürdiger Mensch ist er ihr, ruhig seine Stimme, und diese sanftmütigen, nougatfarbenen Augen –
Sehnsüchtig schauen die Sekretärinnen vom Büro zum Bäckerladen auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Einmal bittet Angelika einen der Drucker, ihr eine Brezel mitzunehmen. Als er das Gebäck aus der Hosentasche seiner schmutzigen Montur zieht, ist ihr der Appetit vergangen. Soll sie eine weitere Essensmarke opfern und selbst rasch zum Bäcker? Sie streift den Rock glatt, und raus aus der Tür – schon wird sie von den eigenen Leuten verpfiffen. Bei ihrer Rückkehr stellt man sie zur Rede, der Betriebsrat nimmt sie in die Mangel. Sie habe das Haus ohne Passierschein verlassen! Man werde Schönwitz davon unterrichten.
Der SA-Oberführer hat andere Sorgen. Wie Wagner erkennt er, die Druckqualität der Zeitung wird von Tag zu Tag schlechter. Ein neuer Chefredakteur ist am Ruder und gibt sich noch radikaler als sein Vorgänger. Aus Mangel an Siegesmeldungen setzt er auf „absolute Zuversicht für den Endsieg.“ Der „totale Krieg“ mache Einsparungen nötig, tönt es aus der Redaktion. Vier Seiten umfasst das Blatt, der Inseratteil entfällt, nicht aber der Fortsetzungsroman. Er ist auch in der Ausgabe vom 16. Dezember 1943 zu finden. An diesem Tag jedoch ist den Innsbruckern nicht nach Lektüre. „Die anglo-amerikanischen Mordpiloten können sich eines neuen Verbrechens rühmen, das nicht vergessen werden wird“, titelt die Zeitung.
Es bleibt nicht der einzige Angriff. Die Anrufe aus dem Gauhaus häufen sich. Kaum überqueren die feindlichen Geschwader die oberitalienischen Städte, klingelt das Telefon. Manchmal sieht Wagner Angelika zum Apparat greifen, dann wieder eine ihrer Kolleginnen. Fliegeralarm, belfert eine Stimme aus dem Hörer.
Aufgeregt zu Schönwitz, der gemahnt zur Ruhe. Aber schwierig ist es geworden, einen geordneten Abmarsch in die Luftschutzkeller einzuleiten. Alle zugleich stürzen sie los, der Bunker befindet sich direkt unter der Druckerei.
Wo Angelika sei, ärgert sich der SA-Oberführer, sanftmütig ist er jetzt nicht mehr. Ihre Mitarbeiterinnen hätten besser auf sie aufzupassen, sie wüssten doch – Stets kommt Angelika im letzten Moment angerannt.
Dicht aneinandergekauert, die Knie angewinkelt, trifft Wagner die Belegschaft an. Auch Frau Schönwitz ist unter ihnen, sie war gerade in der Stadt, als die Sirenen losheulten. Das
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