Der Buddha aus der Vorstadt
Überfalle geschähen immer häufiger. Ich sollte mich mit Jamila und ihren Freunden am kommenden Samstag zu einer Demo treffen. Die National Front plane nämlich einen Marsch durch einen asiatischen Wohnbezirk ganz in der Nähe. Anschließend würden die Faschos in der Stadthalle eine Kundgebung abhalten; asiatische Läden würden angegriffen werden und Menschenleben bedroht sein. Die Leute im Bezirk hatten Angst. Wir könnten zwar das Treffen nicht verhindern, aber wir könnten wenigstens unsere Demo machen und protestieren. Ich versprach zu kommen.
Ich hatte in letzter Zeit höchstens einmal die Woche mit Eleanor geschlafen. Wir hatten kein Wort darüber verloren, aber sie war merklich kühler zu mir. Das beunruhigte mich nicht sonderlich; nach den Proben ging ich ganz gern nach Hause und versuchte, allein mit meinem Lampenfieber fertigzuwerden. Ich bereitete mich auf die Premiere vor, indem ich als Changez in der Wohnung umherlief, nicht um ihn zu karikieren, sondern um mich an seinen seltsamen Blick auf diese Welt zu gewöhnen. Robert de Niro wäre stolz auf mich gewesen.
Es war selbstverständlich für mich, daß Eleanor ihre Abende mit Freunden auf irgendwelchen Parties verbrachte. Sie lud mich oft ein, aber nach einigen Stunden mit ihrer Meute fühlte ich mich träge und lustlos. Das Leben bot sich diesen Typen dar wie ein zum Kuß bereiter Mund, aber während sie sich von Party zu Party schleppten und Nacht für Nacht die gleichen Gesichter sahen und die gleichen Dinge sagten, wurde mir klar, daß dies der Kuß des Todes war; ich sah, wie kraft- und saftlos sie schon waren. Welche Leidenschaft, welche Sehnsucht, welches Begehren trieb sie, wenn sie sich in ihren Londoner Wohnzimmern räkelten? Ich sagte zu meinem politischen Ratgeber, Wachtmeister Monty, daß die herrschende Klasse unseren Haß nicht verdient hätte. Er war anderer Meinung. »Ihre Selbstzufriedenheit macht sie nur noch schlimmer«, argumentierte er.
Als ich Eleanor anrief, um ihr zu sagen, daß wir uns mit den anderen zur Anti-Faschisten-Demo treffen sollten, verhielt sie sich ziemlich seltsam, besonders wenn man daran dachte, was damals mit Gene passiert war. Sie kam nämlich ziemlich ins Lavieren. Einerseits müsse sie unbedingt diese Einkäufe bei Sainsbury’s erledigen, andererseits solle sie jemanden im Krankenhaus besuchen. »Ich treff dich auf der Demo, Lieber«, sagte sie schließlich. »Ich bin ein bißchen durcheinander.« Ich legte den Hörer auf.
Ich wußte, was ich machen würde. Ich war mit Jamila, Changez, Simon, Sophie und den anderen morgens vor dem Haus verabredet. Das würde ich nicht schaffen, aber die Demo brauchte ich trotzdem nicht zu verpassen; ich würde mich einfach nur nicht mit den anderen treffen, sondern direkt hingehen.
Ich wartete eine Stunde und nahm den Zug nach Norden. Im Vordergarten des Hauses, das dem von Pyke gegenüber lag, setzte ich mich auf einen Baumstamm und beobachtete sein Haus durch ein Loch in der Hecke. Die Zeit verging. Es wurde langsam spät. Ich würde ein Taxi zur Demo nehmen müssen. Das war kein Problem, Hauptsache, Jamila ertappte mich nicht dabei, wie ich aus einem Taxi stieg. Nach drei Stunden wurde mein Warten belohnt. Ich sah Eleanor direkt auf Pykes Haus zugehen. Was für ein Genie ich doch w 7 ar: Ich hatte richtig getippt! Eleanor klingelte, und Pyke öffnete sofort. Kein Kuß, keine Umarmung, kein Lächeln - nur die Tür, die sich hinter ihnen schloß. Dann nichts mehr. Was hatte ich erwartet? Ich starrte auf die geschlossene Tür. Was sollte ich tun? Diese Situation hatte ich nicht vorhergesehen. Die Demo war jetzt wahrscheinlich in vollem Gange. Vielleicht würden Pyke und Eleanor mitgehen. Ich konnte hier auf sie warten, ihnen einfach sagen, ich sei zufällig vorbeigekommen, und dann konnten sie mich in ihrem Wagen zur Demo mitnehmen.
Ich wartete noch einmal drei Stunden. Vielleicht aßen sie noch einen späten Lunch miteinander. Es wurde dunkel. Als Eleanor das Haus verließ, folgte ich ihr in die Underground und setzte mich ihr gegenüber. Sie sah ziemlich überrascht aus, als sie aufblickte und mich da sitzen sah. »Was machst du denn hier in der Bakerloo Line?« fragte sie.
Ich war nicht gerade in der Stimmung, mich vor ihr zu rechtfertigen. Ich setzte mich neben sie und fragte ohne Umschweife, was sie bei Pyke getrieben habe, statt sich den Faschisten entgegenzuwerfen.
Sie strich sich ihr Haar aus dem Gesicht, sah sich im Zug um, als suchte sie nach einer
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