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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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eingebaut, hatte er doch einen Großteil seines Arbeitslebens damit verbracht, Kaminroste herauszureißen, damit Frauen wie meine Mutter nicht früh am Morgen in der Kälte aufstehen und auf ihren Knien liegend das Feuer anzünden mußten.
    Wenn Tante Jean am Ende eines jeden Tages Onkel Ted das Abendbrot auf den Tisch knallte - eine Fleischpastete mit Pommes frites oder ein schönes Stück Rumpsteak mit Sauce Tartare (er hatte es noch nicht über sich gebracht, Vegetarier zu werden) -, setzte sie sich mit einem harten Drink vor ihn hin und verlangte Fakten über Eva und Dad.
    »Also, Onkel Ted, was hast du ihr letzte Nacht erzählt?« fragte ich am nächsten Morgen bei der Arbeit. Was gab es schon zu erzählen? Ich konnte mir nicht vorstellen, daß Ted über die Eigenart des intensiven Glücks von Eva und Dad nachdachte und erzählte, wie die beiden ständig versuchten, sich gegenseitig die Hosen der Trainingsanzüge herunterzuziehen, oder etwa, wie sie Wetten darüber abschlossen, wer bei zehn Versuchen mit dem Stiel eines Lollipops am häufigsten in den Mülleimer traf.
    Vielleicht erzählte er eher von dem, was er sah, wenn er morgens zur Arbeit kam - Eva in ihrem blauseidenen Schlafanzug und dem roten Morgenmantel, wie sie rief und lachte, mir Anweisungen gab, wie das Frühstück zu machen sei, und laut aus den Zeitungen vorlas. Mum und Dad hatten früher nur den »Daily Mirror« gehabt, mehr nicht. Eva liebte es, täglich etwa fünf Tageszeitungen und drei Zeitschriften im Haus zu verteilen, die »Vogue«, den »New Statesman« und den »Daily Express« zu überfliegen, bevor sie den ganzen Haufen in den Papierkorb neben ihrem Bett warf. Vielleicht erzählte Ted Jean auch von den Spaziergängen, die wir vier unternahmen, wenn Eva keine Lust mehr zum Arbeiten hatte, und von damals, als Evas Füße wehtaten und sie ein Taxi rief - in den Augen von Dad, Ted und mir reinste römische Dekadenz. Wir machten eine Zweistundentour durch Südlondon, Eva trank Guinness und lehnte sich winkend aus dem Fenster, als wir durch die Old Kent Road fuhren, dann hielten wir vor der berühmten Praxis von Dr. Lai und bei dem Tanzsaal der Liebe, wo Mum Dad begegnet und ihm verfallen war. Aber ich bezweifelte, daß Ted etwas von diesem Spaß und all den unterhaltsamen Stunden, die wir erlebten, erzählen konnte. Es würde kaum das sein, was Jean hören wollte. Für sie war es nutzlos. Natürlich waren Ted und ich nicht ständig mit den beiden zusammen, um die verworrenen Aufregungen dieser neuen Liebe unter die Lupe zu nehmen, vor allem auch deshalb nicht, weil Dad und Eva viele Abende auf der anderen Seite des Flusses, im eigentlichen London verbrachten, um sich im Theater kontroverse Stücke oder im Kino deutsche Filme anzusehen, sich marxistische Vorlesungen anzuhören oder auf die Parties der gehobeneren Gesellschaft zu gehen. Evas alter Freund Shadwell etablierte sich langsam als Theaterregisseur, er arbeitete als Assistent bei der Royal Shakespeare Company, leitete Workshops über Beckett und inszenierte Stücke von Artaud und anderen, neueren Autoren auf alternativen Schaubühnen. Einmal half Eva Shadwell aus und entwarf und nähte die Kostüme für eine seiner Aufführungen. Das gefiel ihr, und es führte schließlich dazu, daß sie, Dad und Shadwell gemeinsam zum Essen und auf Parties gingen und dort allerhand (ziemlich) wichtige Typen trafen - nicht die Sorte, wie wir sie aus den Vorstädten kannten, sondern die echten: Leute, die wirklich schrieben und Stücke inszenierten und nicht nur davon redeten. Eva wollte mehr in dieser Richtung tun; sie beriet reiche Leute in Sachen Möbel und Tapeten - dieser Menschenschlag kaufte sich ständig neue Häuser auf dem Land, und Eva wußte, wie sie sich nützlich machen konnte.
    Wie elegant und vornehm sie aussahen, wenn sie abends nach London fuhren, Dad in einem seiner Anzüge und Eva mit ihren Schals und Hüten, teuren Schuhen und Handtaschen. Sie strahlten beide vor Glück. Und ich wanderte dann im leeren Haus umher oder rief Mum an, um mit ihr zu plaudern; manchmal lag ich in Charlies Dachkammer auf dem Boden und fragte mich, was er gerade machte und was für phantastische Sachen er erlebte. Dad und Eva kamen meistens sehr spät zurück, und ich stand auf, um sie zu sehen und um, während sie sich auszogen, von ihnen zu hören, wer was zu wem über das letzte Stück, den neuesten Roman oder Sexskandal gesagt hatte. Eva trank Champagner und sah vom Bett aus fern, was mich sehr

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