Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
Vom Netzwerk:
»Ich seh schon.«
    Ich hörte nicht auf zu sticheln. »Da wir gerade von Stellungen reden, Changez. Anwar fragt mich seit einiger Zeit nach deiner Stellung im Laden und wie es deiner Krankheit geht.« Übergangslos zeigten sich Angst und Schrecken auf Changez’ Gesicht. Ein göttlicher Anblick. Dies war nicht gerade sein Lieblingsthema. »Du siehst aus, Changez, als hättest du eine Scheißangst.«
    »Dieser Pisser, mein Schwiegervater, der versaut mir meine Erektion für den ganzen Tag«, sagte er. »Ich mach mich besser auf die Socken.«
    Aber ich bekam ihn noch bei seinem Armstummel zu fassen und fuhr fort: »Ich habe die Nase voll. Ständig jammert er mir etwas vor. Du mußt was dagegen unternehmen.« »Dieses Arschloch, was glaubt er denn, wer ich bin? Sein Diener? Ich bin kein Verkäufer. Das Geschäft ist nicht meine stärkste Seite, yaar, nicht meine stärkste Seite. Ich bin eher ein intellektueller TVp; ich bin keiner von diesen ungebildeten Emigranten, die hierherkommen, um Tag und Nacht zu ackern und dreckig auszusehen. Sag ihm, daß er das nicht vergessen soll.«
    »Gut, sag ich ihm. Aber ich warne dich, er wird deinem Vater und deinem Bruder schreiben und ihnen sagen, was für ein fetter, fauler Penner du bist, Changez. Ich weiß das genau, weil ich für ihn in dieser Sache einen Brief tippen mußte.«
    Er griff nach meinem Arm. Entsetzen verzerrte sein Gesicht. »Um Himmels willen, nur das nicht! Stiehl ihm den Brief, wenn du kannst. Bitte!«
    »Ich sehe zu, was ich machen kann, Changez, schließlich liebe ich dich wie einen Bruder.«
    »Mich also auch, hä?« sagte er gutherzig.
    Es war heiß, und ich lag mit Jamila nackt auf dem Bett. Ich hatte alle Fenster der Wohnung geöffnet, ließ die Autoabgase und das Gebrüll der Arbeitslosen herein, die sich auf der Straße stritten. Jamila bat mich, sie zu streicheln, ich rieb ihr Vaseline zwischen die Beine und folgte dabei ihren Anweisungen, die mal »Fester« und »Mehr Mühe bitte« lauteten, mal »Gut so, aber denk dran, du schläfst mit mir, du putzt dir nicht die Zähne«. Ich kitzelte sie mit meiner Nase im Ohr und fragte: »Bedeutet dir Changez eigentlich etwas?«
    Ich glaube, diese Frage überraschte sie.
    »Changez ist süß, stimmt schon, wenn er so zufrieden vor sich hingrunzt, wenn er liest und durch die Wohnung summt und mich fragt, ob ich etwas Keema möchte. Aber ich wurde gezwungen, ihn zu heiraten. Ich will ihn nicht um mich haben. Ich weiß nicht, warum er mir auch noch etwas bedeuten soll.«
    »Was ist, wenn er dich liebt, Jammie?«
    Sie setzte sich auf und sah mich an. Schließlich streckte sie mir ihre Hände entgegen und sagte mit leidenschaftlicher Stimme: »Karim, diese Welt ist voller Menschen, unterdrückter Menschen, die unsere Sorge und unser Mitgefühl brauchen, unser Volk zum Beispiel, das in diesem rassistischen Land tagtäglich der Gewalt ausgesetzt ist. Ihm gilt mein Mitgefühl, nicht meinem Mann. Eigentlich geht er mir manchmal sogar ziemlich auf die Nerven. Feuerschlucker, der Mann lebt doch kaum! Es ist ein Jammer!«
    Aber während ich ihren Bauch und ihre Brüste mit den kleinen Küssen bedeckte, die sie so sehr liebte, und mit meinen Lippen an ihr knabberte und sie sanft biß, damit sie sich entspannte, grübelte sie immer noch über Changez nach. Sie sagte: »Im Grunde ist er nur ein parasitärer, sexuell frustrierter Mann. Für das halte ich ihn jedenfalls, wenn ich überhaupt an ihn denke.«
    »Sexuell frustriert? Aber deshalb ist er doch gerade weggegangen. Um die Hure zu treffen, zu der er regelmäßig geht! Shinko heißt sie.«
    »Nein! Wirklich? Ist das wahr?«
    »Natürlich.«
    »Erzähl schon, erzähl!«
    Also erzählte ich ihr von Changez’ Schutzheiligem, Harold Robbins, von Shinko und von dem Problem mit den Stellungen. Das brachte uns auf die Idee, selbst einige der Stellungen zu versuchen, wie sie, während wir uns unterhielten, zweifellos auch Shinko und Changez einnehmen würden. Später, als wir engumschlungen dalagen, sagte sie: »Aber wie ist es mit dir, Karim? Du bist traurig.«
    Ich war traurig, das stimmte. Wie sollte es auch anders sein, wenn ich an Mum denken mußte, die Tag für Tag völlig verzweifelt in ihrem Bett lag, weil Dad mit einer anderen Frau durchgebrannt war? Würde sie sich wieder erholen? Mum hatte großartige Eigenschaften, sie war charmant und freundlich und meistens ziemlich anständig, aber würde dies jemals jemand zu schätzen wissen und sie nicht mehr verletzen?
    Dann

Weitere Kostenlose Bücher