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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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für alle einen Tisch zum Abendessen in einem Restaurant. Danach gingen wir in einen Jazzklub auf der King s Road - Onkel Ted hatte noch nie schwarze Wände gesehen -, und hier sagte Eva voller Hinterlist zu Dad: »Ich glaube, es wird langsam Zeit, daß wir nach London umziehen.«
    »Ich mag die Ruhe in Beckenham, wo sich kein Arsch um einen kümmert«, sagte Dad und dachte, damit sei die Sache erledigt, wie sie es früher, wenn er mit Mum redete, auch gewesen wäre.
    Aber es ging um Geschäfte. Zwischen den Jazzstücken machte Eva Ted ein Angebot: Komm und mach mein Haus schön, Ted, wir spielen dir Swingplatten vor und trinken dazu Margheritas. Es würde ihm gar nicht wie Arbeit Vorkommen. Ted stürzte sich sofort auf die Gelegenheit, bei Eva und Dad arbeiten zu können, einerseits aus Neugier - um zu sehen, was die Freiheit aus Dad gemacht hatte und vielleicht auch aus Ted machen konnte -, zum anderen, weil sein Appetit auf Arbeit wiedererwacht war. Aber zuerst mußte er Tante Jean die Neuigkeit beibringen. Und das war der schwierigste Teil.
    Tante Jean platzte vor Wut. Da gab es Arbeit, bezahlte Arbeit, Arbeit für Wochen, und Ted wollte sie mit Freuden annehmen. Er war bereit, damit anzufangen - aber sein Auftraggeber war Jeans Feindin, eine fürchterliche, männerraubende, verstümmelte Frau. Einen Tag lang ging Jean mit sich selbst zu Rate, während wir den Atem anhielten. Endlich löste sie das Problem, indem sie Ted unter zwei Bedingungen ihre Zustimmung gab: daß niemand Mum etwas davon erzählte und daß Ted Jean am Ende eines jeden Tages einen vollständigen Bericht darüber lieferte, was genau zwischen Dad und Eva vor sich ging. Wir erklärten uns mit diesen Bedingungen einverstanden und versuchten, uns einige obszöne Geschichten auszudenken, die Ted Jean erzählen konnte.
    Eva wußte, was sie wollte: Das ganze Haus sollte verändert werden, jeder Quadratzentimeter, und sie wollte tatkräftige, emsige Menschen um sich haben. Wir fingen sofort an. Erleichtert ließ ich jeden Anschein von Gelehrsamkeit fallen und wurde ein mystischer Hilfsarbeiter. Ich lud auf und trug und zerschlug, Eva machte die Denkarbeit, und Ted sorgte dafür, daß ihre Anweisungen ausgeführt wurden. Dad vermied sorgfältig jeden Baudreck und zischte uns einmal einen arabischen Fluch zu: »Mögen die Bauarbeiter zu dir kommen.« Ted antwortete mit einem unverständlichen Spruch, von dem er glaubte, daß Dad darüber begeistert sein würde. »Haroon, ich küsse die Freude in ihrem Flug«, sagte er und wuchtete den Fiammer gegen die Mauer.
    Wir drei arbeiteten hervorragend zusammen; wir waren ausgelassen und in bester Stimmung. Eva gab sich exzentrisch: Wenn eine Entscheidung anstand, mußten Ted und ich warten, während sie sich nach oben zurückzog und über die genaue Form des Gewächshauses oder die Dimensionen der Küche meditierte. Ihr Unbewußtes würde ihr zeigen, welchen Weg sie zu wählen hatte. Das war nicht so wahnsinnig anders, dachte ich, als in dem Buch, das ich gerade las, Edmund Gosses »Father and Son«, in dem der Vater vor jeder schwierigen Entscheidung betete und Gottes Fingerzeig abwartete.
    Vor dem Mittagessen ließ Eva uns in den Garten zotteln, wo wir uns beugen und strecken, mit geradem Rücken sitzen und abwechselnd durch die Nasenlöcher atmen mußten, bevor wir unseren Salat und unsere Früchte aßen. Ted begeisterte sich für solche Sachen mit einer großen, kindlichen Bereitwilligkeit. Er nahm die Kobra-Stellung ein, als wäre sie für ihn erfunden worden. Im Gegensatz zu mir schien es ihm zu gefallen, wie ein Narr auszusehen, weil er dachte, er sei ein neuer, offener Mensch geworden. Eva ermunterte uns zum Ausspannen, aber sie war auch ein gewiefter Chef. Wir schufteten für sie, weil wir sie gern hatten, aber mit lascher Arbeit gab sie sich nicht zufrieden: sie war eine Perfektionistin. Außerdem hatte sie einen guten Geschmack; sie bestand ausschließlich auf den besten Materialien, was nn den Vorstädten ziemlich selten war, denn hier wurden viktorianische und edwardianische Häuser gewöhnlich eingerissen und demontiert, um dann mit Spanplatten und Formica neu hergerichtet zu werden. Zum Schluß wurde jedes Zimmer im Haus weiß angestrichen. »Weiß ist die einzige Farbe, die für ein Haus in Frage kommt«, verkündete Eva. Die Böden waren aus abgeschliffenem, dunklem Holz, vor den Fenstern hingen grüne Jalousien. Schwere, schwarze, schmiedeeiserne Kaminroste wurden, zu Teds Verblüffung, wieder

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