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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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schockierte, und wenigstens einmal in der Woche sagte sie, sie sei entschlossen, uns alle für immer mit nach London zu nehmen. Und Dad sprach vom Abend im Theater und sagte, daß der Autor mit Tschechow nicht zu vergleichen sei. Tschechow war Dads unübertroffener Lieblingsschriftsteller, und er behauptete immer, daß ihn Tschechows Stücke an Indien erinnerten. Ich habe das nie begriffen, bis ich irgendwann merkte, daß er meinte, die Nutzlosigkeit, Trägheit und Sehnsucht der Charaktere Tschechows seien typisch für die Erwachsenen, die er als Kind gekannt hatte. Doch über ein Thema mußten Jean und Ted auf jeden Fall geredet haben, nämlich über Geld. Selbst ich machte mir deshalb Sorgen. Das Geld, das wir für dieses Haus ausgaben, rann uns förmlich durch die Finger wie Blut bei einem Aderlaß. Im Unterschied zu Mum, für die Sparsamkeit selbstverständlich war, kaufte sich Eva alles, was sie haben wollte. Wenn sie in einen Laden ging und ihr etwas ins Auge fiel - ein Buch mit Zeichnungen von Matisse, eine Schallplatte, Yin-und-Yang-Ohrringe, ein chinesischer Hut - kaufte sie es sofort. Für sie gab es beim Geldausgeben nicht diese Qualen und Schuldgefühle, an denen wir alle leiden mußten. »Ich habe es verdient«, sagte sie immer. »Früher war ich mit meinem Mann unglücklich, aber ich werde nie wieder unglücklich sein.« Nichts hielt sie zurück. Als ich ihr gegenüber eines Tages diese Verschwendungssucht erwähnte, während wir Seite an Seite eine Wand anstrichen, tat sie meinen Einwand einfach damit ab, daß sie sagte: »Wenn wir kein Geld mehr haben, besorge ich uns neues.« »Woher, Eva?«
    »Hast du noch mcht gemerkt, Karim, daß die Welt nur so im Geld schwimmt? Hast du noch nicht gemerkt, wie es dieses Land überflutet?«
    »Yeah, hab ich, Eva, aber nichts davon überflutet unser Haus.«
    »Wenn wir es brauchen, werden wir den Strom schon hierher lenken.«
    »Sie hat recht«, sagte Dad etwas oberlehrerhaft, als ich später zu ihm ging, ihm erzählte, was sie mir gesagt hatte, und versuchte, ihm klarzumachen, wie wahnsinnig ihre Einstellung war. »Man muß nur das richtige Bewußtsein haben, wenn man die Geldmengen zu sich lenken will.« Für jemanden, der bisher offenbar nie das richtige Bewußtsein gehabt hatte, um mittels dieser magnetischen Art mehr als seinen Monatslohn an sich ziehen zu können - Geld, das Anwar immer nur den »unverdienten Verdienst« nannte - schien dies ein bißchen dick aufgetragen. Aber die Liebe und Eva hatten für Dad den Teppich des Selbst Vertrauens ausgerollt, über den er jetzt überschwenglich dahintanzte. Im Vergleich zu ihnen fühlte ich mich richtig konservativ.
    Wie früher hatte Dad einmal die Woche einen Guru-Auftritt in Sachen Taoismus und Meditation, nur bestand Eva diesmal darauf, daß die Teilnehmer bezahlten. Um Dad scharte sich eine feste Gruppe von ernsthaften jungen Kopfnickern - Studenten, Psychologen, Krankenschwestern, Musikern -, die ihn bewunderten und manchmal noch spät am Abend anriefen oder ihn in panischer Angst aufsuchten, so abhängig waren sie von seinem freundlichen Zuhören geworden. Es gab eine Warteliste für diese Gruppe. Vor ihren Treffen mußte ich das Zimmer saugen, die Räucherkerzen anzünden, ich mußte die Gäste wie ein Oberkellner begrüßen und ihnen indische Süßigkeiten servieren. Eva bestand außerdem darauf, daß Dad sein Angebot verbesserte: Sie brachte ihn dazu, früh am Morgen, noch vor der Arbeit, in Bibliotheksbüchern über Esoterik nachzuschlagen und fragte ihn dann beim Frühstück mit einer Stimme, mit der sie früher wahrscheinlich Charlie gefragt hatte, ob er die technischen Zeichnungen für seine Hausarbeiten fertig habe: »Und was hast du heute morgen gelernt?«
    Eva kannte jemanden bei der Bezirkszeitung - denselben hilfsbereiten Journalisten, der Charlie auf die Titelseite der »Bromley and Kentish Times« gebracht hatte - und der interviewte Dad. Man machte ein Foto von Dad, wie er in roter Weste und dem indischen Pyjama auf einem goldenen Kissen saß. Seine Mitpendler waren von seinem plötzlichen Ruhm beeindruckt, und Dad erzählte mir begeistert, wie sie sich auf Bahnsteig zwei gegenseitig auf ihn aufmerksam machten. Für etwas anerkannt zu werden, das er in seinem Leben erreicht hatte, gab Dad ungeheuren Auftrieb, denn vor seiner Begegnung mit Eva hatte er sich für einen Versager und sein Leben für eine elende Angelegenheit gehalten. Aber im Büro, wo man in ihm einen nie beförderten, faulen

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