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Der buddhistische Mönch

Der buddhistische Mönch

Titel: Der buddhistische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Armut und sind trotzdem nicht schlecht, sondern besuchen den wat, erwerben uns Verdienste, halten das Haus sauber, verstoßen nicht gegen das Gesetz.« Wieder schüttelt sie den Kopf. »Was soll aus dieser Mutter werden, chart na? Sie kann ja nicht einmal mehr richtig reden. Sie wird in der Hölle landen. Und danach kann sie von Glück sagen, wenn sie als Mensch wiedergeboren wird. So etwas Dunkles, Hoffnungsloses kenne ich sonst nicht. Was Leute nur mit ihrem Kopf anstellen, nicht wahr?«
    Plötzlich taucht die Zwergin wie aus dem Nichts auf und späht zum offenen Tor herein. Als meine Gastgeberin sie entdeckt, fragt sie: »Hast du schon was gegessen?«
    »Nein.« Die Zwergin setzt sich mit kerzengeradem Rücken zu uns auf die Binsenmatte.
    »Er erkundigt sich nach Damrong.«
    »Ich weiß«, meint die Zwergin und sieht mich an, als wäre es an der Zeit, dass ich die Wahrheit erfahre. »Sie war ein sehr starker Geist mit einem sehr schlechten Karma«, erklärt sie. »Deshalb wurde sie in diese Familie hineingeboren.«
    »Die Mutter hat lange Zeit im Gefängnis verbracht«, sage ich.
    »Ja.«
    »Unter der Tiger-Tätowierung auf ihrem Rücken befinden sich Khmer-Schriftzeichen.«
    »Ja.«
    »Das Horoskop ist wohl in der dunklen Tradition entstanden. Gehörte sie einem kriminellen Kult an?«
    »Ja.« Sie nickt, ohne mir in die Augen zu sehen.
    »Schwarze Magie?«, frage ich.
    Sie zuckt mit den Achseln. »Es ist nicht gut, über das nachzudenken, was die Angehörigen dieser Familie getan haben. Das bringt Unglück.«
    »Haben sie ihre eigenen Kinder missbraucht?«
    »Ja.«
    »Was ist mit ihrem Bruder?«
    Kurz tritt so etwas wie ein Ausdruck der Sorge auf ihr Gesicht. »Sie liebte ihn. Ihr hat er alles zu verdanken. Er ist sehr, sehr schwach. Möglicherweise kann er ohne sie gar nicht leben.« Sie sieht mich an. »Wissen Sie, wie ihr Vater starb?«
    »Wie?«
    »Es bringt Unglück, über einen so gewaltsamen Tod zu sprechen.« Sie legt die Hand auf meinen Unterarm. »Ich werde nicht wiederkehren.«
    Es ist merkwürdig, eine Frau, die offenbar einem schamanistischen Kult anhängt, über ein buddhistisches Konzept sprechen zu hören, aber als die Inder den Buddhismus nach Thailand brachten, wurde vieles davon in den örtlichen Animismus integriert. Buddhistische Mönche, die meinen, die Stufe der Nicht-Wiederkehr erreicht zu haben, achten sehr darauf, keinen Fehler zu begehen, der sie zu einer neuerlichen Reinkarnation zwingen würde. Schon unangemessenes Reden kann alle Hoffnungen auf Verlöschen zunichte machen.
    Auf dem Land spielt Höflichkeit keine große Rolle, und so erhebe ich mich, sobald ich mit dem Essen fertig bin, und sehe die Zwergin ein letztes Mal an. Ohne meinen Blick zu erwidern, erzählt sie: »Sie haben die Kinder zum Zuschauen gezwungen, beide, damit sie nicht so würden wie ihr Vater. Das Mädchen war gerade alt genug, um es auszuhalten. Aber der Junge …«
    »Sie haben ihren Vater sterben sehen?«
    Sie hebt einen Finger an die Lippen. Als ich mich zum Gehen wende, ruft mir die Gastgeberin nach: »Wissen Sie, das sind Khmer, keine Thai.«
    An der Hauptstraße gelingt es mir, einen Pickup anzuhalten, der mich für hundert Baht zur nächsten Busstation bringt. Der Fahrer ist schweigsam, fromm und aufrichtig – der Inbegriff des guten Bauern. In der köstlichen Leere, die ihn umgibt, spult mein Gehirn immer wieder die gleichen Gedanken ab:
     
    Eine Pilgerreise in der Dritten Welt:
    1. In ein entmutigendes Karma hineingeboren, beschließt man, das Leben schlafend zu verbringen.
    2. Mutter lässt Option 1 nicht zu, also läuft man gegen seinen Willen unter dem Elefanten durch.
    3. Skrupellosigkeit und Wut erzwingen immerhin Reaktionen der Gesellschaft, anders als Artigkeit, die in Sklaverei und Hunger führt. Nur Sex und Drogen sichern das Überleben. Man sieht Licht am Ende des Tunnels.
    4. Das Spiel im Griff, bereut man, der Liebe keine Chance gegeben zu haben. Zu spät, man ist dreißig, und am Horizont tauchen Dämonen auf. Nur der Tod kann einen jetzt noch retten. Doch eine Frage bleibt: Wen reißt man mit?
     
    Willkommen im neuen Millennium.

28
    »Wo steckt er, Lek?«
    Nur ungern herrsche ich meinen Protegé in diesem Tonfall an, aber anders weiß ich mir nicht zu helfen. Zwei Tage in Bangkok und noch keine Spur von Phra Titanaka.
    »Keine Ahnung«, antwortet Lek mit tuntig verzogener Schnute und gesenktem Blick. Wir befinden uns in einem der kleinen Vernehmungszimmer des Reviers, was Leks Laune

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