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Der buddhistische Mönch

Der buddhistische Mönch

Titel: Der buddhistische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Schönheit zu erkennen. Auf dem anderen Foto ist ein Kind zu sehen, das unter einem riesigen Elefanten hindurchrennt. Als die Alte mein Interesse bemerkt, beginnt sie für mich Unverständlich auf Khmer dahinzubrabbeln. Hoffnungslosigkeit, wie ich sie jetzt empfinde, war es wohl, die Damrong schon in jungen Jahren zu bekämpfen beschloss.
    »Nur noch eins, Mutter«, sage ich und lege ihr einen Finger auf die Lippen. Zu meiner Überraschung verstummt sie sofort, wie ein artiges Kind. Ich drehe sie sanft herum, bis sie mit dem Rücken zu mir steht, und schiebe ihr T-Shirt hoch. Sie lässt es über sich ergehen wie eine medizinische Untersuchung. Und tatsächlich: Ich entdecke eine Tiger-Tätowierung, die irgendwo im Kreuz beginnt und bis zur linken Schulter reicht. Bei dem anderen Tattoo handelt es sich um ein kunstvolles Horoskop. Beide sind ausgeblichen und faltig; wahrscheinlich hat sie sie in Teenagerjahren machen lassen. Ich betrachte das Horoskop genauer; natürlich ist es im alten khom geschrieben, das ich nicht entziffern kann. Da ich hier keine neuen Erkenntnisse mehr gewinnen werde, verabschiede ich mich und gehe die Treppe hinunter. Als ich zu der wackeligen Hütte mit den verrottenden Pfählen und der verrückten Alten hinaufschaue, die gerade die Tür zuknallt, überkommt mich Zorn. Welche psychologischen Mauern musste Damrong durchbrechen, um ihr tägliches Leben zu meistern, morgens einfach nur aufzustehen und zu arbeiten? Und welche übermenschliche Kraft befähigte sie, ihre Aufgabe mit Einfallsreichtum und Elan zu bewältigen? Baker, Smith und Tanakan wussten nichts von alledem, als sie sich ihrer Reize bemächtigten. Ich ahnte immerhin etwas, verschloss aber die Augen, während ich mir mein Vergnügen mit ihr gönnte; letztlich war ich auch nicht besser als sie, mes semblables, mes frères.
    Das Dorf ist erstaunlich weitläufig, weil es aus lauter kleinen Grundstücken besteht. Einigen der Familien scheint es ziemlich gut zu gehen; auf ihrem Boden befindet sich sogar ein Abstellplatz für einen Pickup; bei den meisten jedoch reicht es gerade so zum Überleben. Mittlerweile hat es sich herumgesprochen, dass ein Polizist sich hier aufhält. Aus dem Nichts tauchen zerlumpte Kinder auf, um mich unverhohlen anzustarren. Allerdings möchte niemand vor aller Augen mit mir reden. Ich versuche mein Glück bei der Nachbarsfamilie von Damrongs Mutter. Eine Frau im Sarong bereitet, unter dem langen Dach ihres Hauses sitzend, mit Mörser und Stößel somtan- Salatzu. Als ich vor ihrem Tor stehen bleibe, ruft sie mir zu: »Haben Sie schon was gegessen?«
    »Nein.«
    »Dann leisten Sie uns doch Gesellschaft.«
    Ich schiebe das Metalltor zurück, und drei Kinder tauchen auf, das jüngste ungefähr drei Jahre alt. Ein gebeugter alter Mann, wahrscheinlich über achtzig, wankt mit einer Flasche Moonshine aus dem Haus, gefolgt von wüsten Verwünschungen einer Frau mittleren Alters. Dann erscheint noch eine junge, sehr langsam gehende Frau. Die ältere bemerkt meinen Blick auf die jüngere.
    »Das machen die Medikamente«, erklärt sie.
    » Yaa baa ?«
    »Ihr zweiter Mann war Dealer, von der Polizei erschossen, aber da hatte er sie mit den Drogen schon um den Verstand gebracht. Die eine Hälfte von ihrem Gehirn ist im Eimer. Sie hätten sie in der Klapsmühle behalten, wenn ich nicht bereit gewesen wäre, für sie zu bürgen. Ich muss jeden Monat das Geld für die Medikamente zusammenkratzen, sonst wird sie völlig wahnsinnig.«
    »Sind das ihre Kinder?«
    »Ja, alle von unterschiedlichen Vätern. Wenn ich meine Älteste nicht hätte, wüsste ich nicht, was ich täte.«
    »Ihre Älteste arbeitet in Krung Thep?«
    »Natürlich.« Mit abgewendetem Blick stellt sie mir den somtan-Salat und einen Weidenkorb mit Klebereis hin.
    Meine unsensible Frage bedauernd, wechsle ich das Thema, während ich mit den Fingern ein Reisbällchen forme. »Ich habe mich gerade mit Ihrer Nachbarin unterhalten.«
    »Ich weiß. Sie sind wegen Damrong hier.«
    »Wie lange leben Sie schon in diesem Dorf?«
    »Von Anfang an. Wir stammen aus dem Ort; der Grund gehört uns.«
    Ich lasse ihr Zeit. Sie tunkt ihr Reisbällchen in die vom Chili tiefrote Salatsauce und kaut eine Weile, bevor sie sagt: »Sie sind also Polizist und wollen mehr über den Tod der armen Damrong herausfinden. Ihre Familie hat wirklich ein sehr schlechtes Karma.« Kopfschüttelnd fügt sie hinzu: »Was für eine andere Erklärung könnte es geben? Wir leiden wie sie unter der

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