Der buddhistische Mönch
der Kundin hinter mir. Sie und die Kassiererin warten darauf, dass ich es aufhebe. In dieser Hinsicht sind wir Thais ziemlich altmodisch. Beim Bücken gelingt es mir, ihrem Blick auszuweichen, aber als ich mich wieder aufrichte, lässt sie mir keine Ausweichmöglichkeit, und ich starre in Damrongs Gesicht, daran besteht kein Zweifel. Ein vertrautes, triumphierendes Lächeln spielt um ihre Lippen. »Guten Abend, Detective«, begrüßt sie mich mit kokett niedergeschlagenen Augen.
Die fünf Packungen Nudeln an meine Brust gepresst, haste ich in Richtung Ausgang. Natürlich kann ich der Versuchung nicht widerstehen, auf der anderen Straßenseite zu warten, bis sie aus dem Laden tritt. Zwanzig Minuten vergehen, ohne dass sie erscheint, also bleibt mir nichts anderes übrig, als in den Supermarkt zurückzukehren, wo ich sie nirgends entdecke. Als ich die Kassiererin frage, was aus der jungen Frau mit dem Päckchen Chili geworden ist, bedenkt sie mich mit einem merkwürdigen Blick.
»Danke«, begrüßt mich Chanya fröhlich lächelnd zu Hause. »Ich mach mir gleich ein paar Nudeln. Willst du auch welche?«
»Nein«, antworte ich, ebenfalls mit einem fröhlichen Lächeln. »Ich hab keinen Hunger.«
Im Bett verfolge ich bei geschlossenen Augen mit, wie mein Gehirn den Verleugnungsmodus einschaltet: Das ist doch nicht wirklich passiert, oder? Nein. Das kann nicht sein, solche Dinge entspringen der Phantasie von ungebildeten Bauern, nicht wahr? Genau. Schließlich bist du nur zur Hälfte Thai, da brauchst du dir nicht von diesem Voodoo-Zeug Angst machen zu lassen, stimmt’s? Stimmt. Als ich schließlich einschlafe, ist der Zwischenfall in seine Einzelteile zerlegt und an einem dunklen, geheimen Ort gelagert.
10
Von meinem Schreibtisch aus sehe ich zu, wie Lek, eine Plastiktüte mit orangefarbenem Eistee – ich assoziiere den Ton unwillkürlich mit Tschernobyl –, aus der er von Zeit zu Zeit mittels eines mit Gummiband befestigten Strohhalms einen Schluck nimmt, auf mich zukommt. Ich registriere positiv, dass er einen Bogen um Detective Constable Gasorn macht, der ihn seit einiger Zeit anhimmelt. Nun, vielleicht nicht gerade anhimmelt, denn Gasorns liebevolle private E-Mails an meinen Assistenten deuten auf etwas Radikaleres hin als den Wunsch nach einer leidenschaftlichen Affäre. Es gibt genug Statistiken und Theorien über den Hang junger Thai-Männer zur Geschlechtsumwandlung. Mit anderen Worten: Möglicherweise bricht bald das alte System zusammen, in dem der Thai-Mann sich über das große Alles Gedanken macht, während die Thai-Frau auf seine Kosten einen gastlichen Planeten bewohnt. DC Gasorn neigt zu der Ansicht, es sei vernünftig, sich von seinem Gemächt zu trennen und einen Mäzen zu finden: Soll doch ein hartgesottener Typ den Kampf mit den Kräften des Marktes ausfechten. Ganz sicher ist er sich allerdings noch nicht, weshalb ich Lek geraten habe, nicht mit ihm zu reden und auch nicht auf seine E-Mails zu reagieren. Lek kann nur überleben, weil ich ihn beschütze und Vikorn mich unter seine Fittiche genommen hat. Wenn Vikorn den Eindruck bekommt, dass wir so etwas wie eine subversive Mode lancieren, lässt er uns vielleicht am ausgestreckten Arm verhungern.
Außerhalb der Dienstzeiten hat Lek begonnen, mit den Hüften zu wackeln wie Marilyn Monroe, aber im Revier beherrscht er sich. Trotzdem kann er sich einen kurzen Blick in Richtung DC Gasorn nicht verkneifen. Je mehr Östrogen er schluckt, desto weniger ist er gegen Schmeicheleien gefeit. Andererseits kommt er inzwischen besser mit dem Leben zurecht. Unter Qualen musste er lernen, dass er selbst in Thailand als Monster gilt; er ist innerlich härter als früher und lässt sich von Verbrechern nicht mehr den Schneid abkaufen: In gewisser Hinsicht hat der Prozess der Geschlechtsangleichung ihm beruflich genutzt, auch wenn er nie mehr sein wird als ein bescheidener Wald- und Wiesenpolizist.
Als er meinen Schreibtisch erreicht, löst er die Lippen lange genug vom Strohhalm, um mich mit einem wai zu begrüßen. Ich sage ihm, dass ich erfahren möchte, wo Damrong zum Zeitpunkt ihres Todes arbeitete, und reiche ihm ein Foto, das Kimberley mit Hilfe ihres Laptop aus der DVD destilliert hat. Der Frau, die darauf zu sehen ist, sind noch etwa drei Minuten Leben gegeben. Lek wird es in den Bars herumzeigen, zuerst in der Soi Cowboy, dann im Nana-Viertel und in Pat Pong; wenn er dort nichts herausfindet, müssen wir tiefer graben, vielleicht bei den
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