Der buddhistische Mönch
im Grand Britannia an, die soeben den so genannten »Büchsenöffner« erhalten hat, und wähle anschließend Chanyas Handynummer. Sie ist gerade vom Tempel unterwegs nach Hause.
Daheim werde ich von den beiden Frauen erwartet. Dies ist das erste Mal, dass sie längere Zeit miteinander verbracht haben, und ich bin neugierig, wie sie sich vertragen. Bis jetzt war ihr Verhältnis von gegenseitigem Respekt gekennzeichnet. Chanya kann kaum glauben, dass eine Frau das Leben auf so maskuline Weise anpackt und dabei zu solcher Autorität und Macht gelangt; Kimberley hingegen staunt noch immer darüber, wie elegant Chanya geht, redet und lächelt. Sie begreift nicht, wieso sie nicht längst in Hollywood dicke Kohle verdient. Außerdem hat sie das Gefühl, dass Chanyas Gelassenheit nicht hundertprozentig irdischen Ursprungs ist. Sie lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen, beklagte sich die FBI-Frau nach den ersten Treffen mit ihr. Chanya hat die Kaltblütigkeit eines Raubtiers. Und obendrein ist Chanya hochschwanger, was Kimberley offenbar verstört.
»Kaltblütigkeit« lässt sich praktisch wörtlich mit luak yen übersetzen: gleicher Begriff, gleicher Inhalt. Plötzlich wird mir klar, dass die wichtigsten Frauen in meinem Leben, Nong und Chanya, beide in ungewöhnlichem Maße luak yen besitzen. Dieser Gedanke führt unweigerlich zu der dritten Frau, Damrong. Auch sie hatte diese Kaltblütigkeit, war brutal, verführerisch, überwältigend, eine echte Raubkatze – und großzügig. Meine Mutter und ich glaubten, dass sie sich den anderen Mädchen im Club gegenüber herablassend geben würde, aber da täuschten wir uns. Im Gegenteil: Sie ging auf sie zu, kaufte ihnen Geschenke zum Geburtstag, war freundlich zu ihnen, erteilte denjenigen, die im Ausland tätig werden wollten, Ratschläge. Nach allgemeiner Ansicht hatte sie jai dee, das heißt ein gutes Herz. Ich bekomme ein flaues Gefühl im Magen bei dem Gedanken daran, mir schon bald Bilder ihrer nackten Bemühungen um andere Männer anschauen zu müssen. »Hallo«, rufe ich von der Tür aus, »ich bin’s.«
Eigentlich habe ich erwartet, dass sie über mich sprechen würden, aber sie sitzen aneinandergekuschelt in der Küche und lauschen der Radiosendung Thinking in Modern Ways, was für Chanya zu einer Art religiösem Ritual geworden ist. Sie übersetzt für die FBI-Frau: »Statt einfach mit dem Kochen anzufangen und dann die Zutaten zusammenzusuchen, sammelt man sie zuerst und legt sie auf der Arbeitsfläche in der richtigen Reihenfolge bereit. Jetzt unterhalten sie sich übers Waschen von Kleidung. Man wirft die Klamotten nicht auf einen Haufen, sondern verwendet drei Körbe, einen für weiße, einen für bunte Sachen und einen für Feinwäsche. Ist das nicht genial?«
Chanya wendet sich Kimberley mit begeistertem Blick zu. Die FBI-Frau hat Mühe, ihre Verwirrung zu verbergen. Sie weiß, dass Chanya nicht dumm ist, weshalb also braucht sie so simple Ratschläge? »Ja, toll«, sagt sie. »Effektivität erleichtert das Leben.« Sie sieht mich fragend an. Wie soll ich ihr erklären, dass ein Land, das sich seit tausend Jahren an Intuition und Tradition orientiert, nicht einfach die aristotelische Logik akzeptieren kann?
Es ist leichter, das Thema zu wechseln. Ich gehe zu dem Koffer mit Bakers Laptop unter der Treppe. Beide Frauen sehen mich erstaunt an, als ich das Notebook herausnehme und an die Steckdose anschließe. Sie haben sich also doch über mich und Damrong unterhalten. Chanya und Kimberley mustern mich mit fast schon kindlicher Neugierde: Wie wird er’s verkraften? Wie viel Leid werden wir sehen? Da wir keine Stühle besitzen, setzen sie sich mit mir rund um ein Tischchen auf den Boden, auf das ich den Laptop gestellt habe. Die FBI-Frau verbindet ein etwa fünfzehn Zentimeter langes Teil mit dem USB-Eingang und schaltet das Ding im selben Moment an, wie sie den Computer hochfährt. Auf der LCD-Anzeige des Geräts, auf der Platz für ungefähr dreißig Zeichen ist, rauschen in atemberaubender Geschwindigkeit Zahlen- und Buchstabenkombinationen vorbei. Nach einer Weile erscheint: {{jack*** rongdam\\\29===forty. Darauf wäre ich nie gekommen. Nun leuchten die Windows-Icons auf dem Bildschirm auf, und fröhliche Musik begrüßt uns.
Ich gehe eine ganze Reihe Dateien durch, bevor mir klar wird, dass Baker die Pornoclips mit einem »X« markiert hat. »Sehr originell«, lautet der Kommentar der FBI-Frau.
Ein Doppelklick, und schon befinden wir uns
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