Der buddhistische Mönch
Dollar.«
»Khun Tanakan scheint mich falsch zu verstehen«, erwidert Vikorn irritierend unterwürfig. »Meiner Ansicht nach ist jeder der Drachen eine Million Dollar wert.«
»Wie viele sind auf der Vase?«, fragt Tanakan mit rauer Stimme.
»Ziemlich viele, Khun Tanakan, ziemlich viele.«
»Würde der Colonel mir den großen Gefallen tun, sie zu zählen?«
»Nicht heute, Khun Tanakan. Ich würde mir die Vase bedeutend genauer ansehen müssen, um zu einem abschließenden Urteil zu gelangen.«
»Bedeutend genauer? Ich glaube, ich begreife nicht ganz.«
»Nun, Khun Tanakan hat einen guten Ruf als Kunstsammler und pflichtet mir vermutlich bei, wenn ich sage, dass zwei Vasen identisch wirken mögen, die eine aber der damit verbundenen Geschichten wegen deutlich mehr erlösen würde als die andere, nicht wahr? Ruhm, auch falscher, verleiht den Dingen heutzutage oft unverdienten Wert, wie man beispielsweise bei Elvis Presleys Gitarre sieht.«
»Ich fürchte, ich kann Colonel Vikorns komplexen Gedankengängen nicht mehr ganz folgen.«
Ein höfliches Hüsteln. »Verändern wir das Szenario einfach ein wenig und stellen wir uns vor, die Bedienstete würde die Vase in die Hand nehmen und drohen, sie fallen zu lassen. Dann hätte Khun Tanakan doch das Recht, die zum Schutz seines Eigentums nötigen Maßnahmen zu ergreifen.«
»Ja?«
»Und wenn diese Maßnahmen unglücklicherweise zum vorzeitigen Tod der jungen Frau führen …«
Schweigen. »Zum Tod der jungen Frau?«
»Ich fürchte, ja, Khun Tanakan. Es tut mir wirklich leid, der Überbringer einer so traurigen Botschaft zu sein. Unter den gegebenen Umständen wäre es wohl unsensibel von mir, den Wert Ihrer Vase zu bestimmen. Vielleicht an einem anderen Tag, wenn Khun Tanakan so großzügig ist, mir noch einmal seine Zeit zu opfern?«
»Wann immer der Colonel möchte. Ich stehe Ihnen zur Verfügung.« Nach kurzem Zögern fügt Tanakan hinzu: »Weiß der Colonel, dass ich die ganze letzte Woche auf Geschäftsreise in Malaysia war?«
»Nein, das wusste ich nicht, Khun Tanakan.«
»Könnte das dazu beitragen, den Wert der Vase niedriger festzusetzen?«
»Es könnte, Khun Tanakan, es könnte. Aber wie gesagt: Die Bewertungsfrage erfordert eingehendere Beschäftigung. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag, Khun Tanakan.«
»Ich darf Sie zur Tür begleiten.«
Als Tanakan die Tür öffnet, ist seine Sekretärin mit der dreistesten Anmache beschäftigt, die ich von einer Nicht-Nutte jemals erlebt habe.
Auf dem Rücksitz des alten Streifenwagens fragt Vikorn mich: »Na, wie war ich?«
»Genial wie immer. Durch die Geschichte mit der Vase haben Sie dafür gesorgt, dass er nicht das Gesicht verliert. Jetzt kann er mit Fug und Recht behaupten, nie etwas zugegeben zu haben.«
»Natürlich könnte er das vor Gericht sagen und den Richter bestechen, damit er straffrei davonkommt. Aber dann würde ihm niemand mehr ein Wort glauben, schon gar nicht im internationalen Bankwesen, und den großen Banker raushängen zu lassen, liebt er mehr als sein Leben.«
Vikorn und ich schauen aus unterschiedlichen Fenstern, während wir über die gleichen Fragen nachdenken.
»Hat er überzeugend gewirkt?«
»Du meinst, im Hinblick auf den Tod des Mädchens? Keine Ahnung. Er ist so luak yen, dass alles, was er sagt, künstlich klingt. Und wahrscheinlich war er letzte Woche tatsächlich in Malaysia. Auch egal. Ich wollte ihm nur zeigen, dass es in diesem Fall um mehr geht als um eine bloße Indiskretion – nämlich um eine Leiche. Ich bin dabei, ihm die Absolution von einem Schwerverbrechen zu verkaufen.« Er lässt die Hand über seinen klugen Kopf gleiten. »Weißt du was, Sonchai? Dieser Fall wird eines deiner schönsten Geschenke an mich. Mein Gott, hat mir das Gespräch mit Tanakan Spaß gemacht! Wie wär’s, wenn ich dir einundzwanzig Prozent für wohltätige Zwecke überlasse?«
»Gern.«
»Was ich noch fragen wollte: Warst du schon unten am Fluss, bei Yammy?«
»Noch nicht. Ich bin ja nach wie vor mit der Suche nach Baker beschäftigt.«
»Ach, das hatte ich völlig vergessen: Wir haben ihn gefunden.«
»Tatsächlich? Das ging aber schnell.«
Mein Colonel tippt sich gegen die Stirn. »Tja, es gibt durchaus pflichtbewusste Polizisten, Sonchai. Ich habe die Einwanderungsbehörde angewiesen, alle Grenzübergänge nach Kambodscha zu überprüfen, an denen noch keine Software zur biometrischen Begutachtung von Passfotos eingesetzt wird. Es sind bloß fünf, und
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