Der buddhistische Mönch
der Einwanderungsbehörde haben keine Zellen, weshalb Baker vorübergehend hier untergebracht ist.« Auf der Stirn des jungen Polizisten graben sich tiefe Furchen ein. Mir dämmert, dass man Dummheit auch aus strategischen Gründen kultivieren kann.
Das Problem mit der Dorfpolizei besteht darin, dass es so etwas wie einen Dorfpolizisten nicht gibt. Etwas anderes als junge Männer und Frauen, die die Uniform mit Anstand tragen, ohne sich in allzu viele Schwierigkeiten zu manövrieren, darf man nicht erwarten. Die Loyalität bezieht sich immer auf die Region, und ich stamme aus der verachteten Großstadt. Dem Usus gemäß sollte ich ihn bestechen, doch das werde ich nicht. Außerdem kann er mir in seiner Jugend keine echte Hilfe sein. Einen Moment lang konzentriere ich mich auf den Affen, der kaum der Mutterbrust entwöhnt und emotional von dem Polizisten abhängig ist. Das Tier betrachtet mich mit großen, feuchten Augen und klettert dann über den Hals des Jungen auf seinen Kopf, um sich mit seinen winzigen Händen an dessen Haaren festzuklammern.
Endlich sieht der Beamte mich an. Er weiß nicht so recht, ob er ohne Bedenken mit mir reden kann, und ich habe keine Ahnung, ob er normales Thai beherrscht; bislang habe ich ihm nur ein paar gemurmelte Wortfetzen im örtlichen Khmer-Dialekt entlockt. »Holen Sie den Chef«, weise ich ihn mit sanfter Stimme an. Er nimmt den Telefonhörer in die Hand.
Wie vermutet, befand der Chef sich auf der anderen Seite der Tür und lauschte. Jetzt kommt er herein, schließt die Knöpfe an seiner Sergeantenuniform, wischt sich die Lippen ab. Er dürfte Mitte Vierzig sein und betrachtet mich mit alkoholbedingter Aggressivität.
»Halten Sie einen farang namens Baker hier fest?«
Als er Anstalten macht, den Kopf zu schütteln, verenge ich die Augen zu Schlitzen und konzentriere mich auf das sechste Chakra – ohne Erfolg. Schließlich sage ich: »Colonel Vikorn, der Leiter des Bangkoker District 8, wird ziemlich wütend auf Sie sein, wenn Sie sein Geld genommen und ihn dann übers Ohr gehauen haben. Baker hat Ihnen letzte Nacht Geld gegeben, stimmt’s?«
Der Sergeant ist überrascht, dass ich ihm das auf den Kopf zusage. Bisher sah seine Strategie immer folgendermaßen aus: Geld nehmen und die Konsequenzen nach unten abwälzen. Sein Polizeirevier befindet sich etwa fünfzehn Kilometer vom kleinsten, verborgensten, am wenigsten frequentierten und technologisch unterentwickeltsten Grenzübergang Thailands entfernt, was bedeutet, dass er Gelegenheit hatte, diese Vorgehensweise zu einer Kunstform zu entwickeln. Und jetzt ist er schockiert darüber, dass ich ihm die karmische Rechnung etwa zweihundert Jahre früher als erwartet präsentiere.
»Sie kannten Colonel Vikorn bis gestern nicht?«, frage ich. Er schüttelt den Kopf. »Und Sie hielten ihn für einen Stadtschnösel, der Ihnen Geld zahlt und zulässt, dass Baker sich freikauft oder die Einwanderungsbehörde ihn sich unter den Nagel reißt? Vermutlich mit der fadenscheinigen Ausrede, dass er in der Nacht aus der Zelle ausgebrochen und irgendwie über die Grenze verschwunden ist. Man weiß ja, wie wackelig diese kleinen Gefängniszellen auf dem Land sein können, nicht wahr?«
Der Trottel zwinkert und nickt: Das machen doch alle, oder? Ich nicke ebenfalls, allerdings nachdenklich. Offenbar bleibt mir nichts anderes übrig, als Vikorn anzurufen und ihm zu gestehen, dass ich mich im Moment nicht um seinen Ausflug in die Pornobranche kümmere, sondern meine Ermittlungen weiterführe. Der Sergeant verfolgt mit ängstlichem Blick, wie ich das Handy aus der Tasche hole.
Vikorn gegenüber komme ich sofort zum Hauptpunkt, nämlich dass sich die örtliche Polizei über meinen Colonel lustig macht. Sie hat sein Geld genommen und sich dann von Baker bestechen lassen, sodass dieser verschwinden konnte, vermutlich mit dem Einverständnis der Einwanderungsbehörde, die Baker wohl gleichfalls bestochen hat. Es herrscht ziemlich dicke Luft, als ich dem Sergeant das Handy reiche. Ich beobachte interessiert, wie sein Gesicht zuerst rot, dann weiß und schließlich grau wird. Er stottert »Ja, ja, ja«, und als er mir das Telefon wiedergibt, zittert seine Hand deutlich sichtbar. Nun ergreift er den Hörer seines Schreibtischapparats, wählt eine aus drei Zahlen bestehende Nummer, beginnt, in Khmer zu jammern, und steigert sich schließlich in ein ziemlich lautes Kreischen hinein. Ich kann kein Khmer, würde aber ziemlich viel darauf wetten, dass er
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