Der buddhistische Mönch
gleichmütig wie über Geburten und Fußballergebnisse. Natürlich kann er nichts dafür; er weiß besser als die meisten, wie retro die Normalität bisweilen ist, doch wie, muss man sich fragen, sieht die angemessene Reaktion aus, wenn Leugnen die Voraussetzung dafür wird, dass man geistig und psychisch nicht aus dem Gleichgewicht gerät? Weitermachen wie bisher, nehme ich an, und auch in Zukunft Schadstoffe in die Luft pumpen. Irgendwann kommt der Umweltfaschismus. Wenn der Schnee im Himalaja schmilzt, werden die Staatsoberhäupter der Englisch sprechenden Nationen drohen, jene Länder der Dritten Welt mittels Atombombe zur Räson zu bringen, die sich anders nicht daran hindern lassen, fossile Brennstoffe zu verbrauchen. – Eine elegante Lösung für das Problem der globalen Erwärmung.
Die FBI-Frau und ich fahren gerade in einem Taxi zu einem Lagerhaus in Chinatown am Chao Phraya River, das Vikorn angemietet hat und in Kürze kaufen möchte, um die künstlerische Seite seines unternehmerischen Reichs zu kultivieren. Es war eindeutig ein Fehler, Kimberley diese Facette meiner beruflichen Tätigkeit zu offenbaren, weil ich sie selbst hasse und ein paar Bier brauche, bevor ich in der Lage bin, Yammys Atelier zu betreten.
Also bestelle ich mir in einem Café am Fluss ein Kloster, und zu meiner Überraschung leistet Kimberley mir Gesellschaft. Wir genießen den Blick auf den Chao Phraya, an und auf dem es wie immer von Menschen wimmelt. Bunt bemalte Kähne schleppen Frachtboote mit großen am Bug aufgemalten Augen, während Longtails mit riesigen auf Schiffskränen montierten Busmotoren sowie fast fünf Meter langen Außenbordpropellern, vollgepackt mit Touristen, den Fluss – noch immer der einzige staufreie Verkehrsweg für viele Pendler – auf und ab brausen. Auch die Passagierfähren sind überfüllt, sie legen, begleitet von hektischen Pfiffen der Bootslenker, an und ab, als wären alle gerade noch einer Katastrophe entgangen.
Kimberley trinkt so gut wie nie Alkohol, doch ich weiß, dass sie sich seit ihrer Ankunft hier in merkwürdiger Stimmung befindet. Warum ist sie überhaupt in Bangkok? Angeblich, weil sie sich für den Fall interessiert, und offenbar besteht tatsächlich eine Verbindung zu ihrer Tätigkeit fürs FBI. Aber clevere Agenten springen nicht mal eben auf das Telefonat eines Freundes hin in einen Flieger. Dazu kommt, dass unsere Freundschaft mehr als ein Jahr lang auf Eis lag, bevor sie mit einem typischen farang- Anruf reanimiert wurde: »Hallo, Sonchai, wie geht’s?« – Als wäre sie an der nächsten Straßenecke und unser letztes Gespräch gerade ein paar Stunden her. Es war mitten in der Nacht meiner Zeit, und ich brauchte eine Weile, bis ich richtig wach wurde. Ich verdrückte mich mit dem Handy in den Hof, um Chanya und das Kleine in ihrem Bauch nicht zu wecken. (Nein, ich sagte nicht: »Kimberley, ist dir eigentlich klar, dass wir hier zwei Uhr früh haben?« Als Thai bin ich dazu einfach zu höflich.) In mir begann sich Mitleid zu regen, als ich merkte, wie unglücklich sie klang, doch sobald sie mit mir zu flirten anfing, klärte ich sie über Chanya und das Baby auf; da schwieg sie. Trotzdem ahnte ich, dass sie von einem glücklichen Bangkoker Leben mit diesem seltsamen Cop geträumt hatte, in den sie seit dem Python-Fall vernarrt war. (Ein schwarzer amerikanischer Marine, von einer transsexuellen Thai – Mann zu Frau – mittels drogenberauschter Kobras und riesiger Python ermordet; wir nahmen seinerzeit aus Gründen des Mitgefühls Abstand davon, ihn/sie einzubuchten.) Am Ende stellte sich heraus, dass Kimberleys Schmusekurs nicht ausschließlich hormonelle Gründe hatte: »Ich gelange hier an meine Grenzen, Sonchai, und außerhalb der Vereinigten Staaten hab ich wenige Freunde – eigentlich nur dich. Auch in einem riesigen Land wie Amerika kann einem die Decke auf den Kopf fallen.« Wir setzten unsere nächtlichen Gespräche fort, bis der Damrong-Fall uns Gelegenheit zur Diskussion praktischer Dinge gab. Dennoch hätte ich nicht erwartet, dass ein Supercop wie Kimberley einfach das nächste Flugzeug nach Bangkok nimmt. Also erwarte ich Signale ihrerseits, dass sie ein bedeutungsschweres Gespräch führen möchte. Ich habe eine volle Woche gebraucht – es gibt Teile der farang- Psyche , mit denen nicht einmal ich vertraut bin –, um zu merken, dass sich hinter der taffen, extrovertierten Fassade eine ziemlich schüchterne Frau verbirgt, die nicht allzu viel Übung darin
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